Ich fange mal eben mit diesem Hemd an, für so etwas war die italienische Marke Etro früher mal berühmt. Sieht man heute selten. Dies hier habe ich gerade für 9,95 € bei ebay gekauft. Ein guter Preis für ein Etro Hemd, denn die 350 Euro, die die Firma für ihre Hemden verlangt, die sind die Hemden nicht wert. Qualitativ gesehen können sie mit Borrelli,Fray oder Finamore nicht mithalten. Nicht ansatzweise, da braucht man sich nur die Qualität der Knopflöcher anzugucken. Und die bunten Hemden mit Streifen oder Paisleymuster, mit denen Etro berühmt wurde, die sind auch ein wenig aus dem Programm verschwunden. Tauchen aber immer wieder mal auf. Oder man muss sich die Hemden in London bei Duchamp oder Paul Smithkaufen. Die Firma Etro gehört der Familie Etro heute auch nur noch zum Teil; da hat sich über eine Firma namens L Catterton längst die Louis Vuitton Gruppe eingekauft.

Gerolamo (Gimmo) Etro hatte 1968 eine kleine Weberei geerbt und beschlossen, das nachzuweben, was seine Frau Roberta und er bisher gesammelt hatten: Stoffe mit dem Paisley Muster. Zuerst wanderten die Stoffe auf Sofas, Kissen und Handtaschen. Dann gingen die Muster in die Konfektion, die siebziger Jahre schienen nur noch aus Paisley zu bestehen. So etwas trug man im Swinging London, Mick und Bianca Jagger wurden zu einer Art Etro Botschafter. Die Paisley Muster tauchten auch in der Hippie Kultur auf. Vielleicht hat das dirty red bandana, von dem Janis Joplin in ✺Me and Bobby McGee singt, auch ein Paisley Muster.

Die kleine Etro Weberei wurde zu einem internationalen Modeunternehmen, das sich im übrigen mehr als die Hälfte seiner Stoffe heute noch selbst webt. Die Firma wurde nach dem Ausscheiden des Gründers von Gimmos Söhnen geleitet. Ippolito Etro ist für die Finanzen zuständig, und Jacopo kümmert sich um die Lederwaren. Der kreative Kopf des Unternehmens ist Kean Etro, der die Herrenkollektion entwirft. Und für alles Schrille und Bunte in den letzten Jahrzehnten verantwortlich war. Seine Schwester Veronica machte die Damenmode. Wir sehen Kean Etro hier mit den Schauspielerinnen Katja Flint und Ursula Karven bei der Eröffnung der Berliner Etro Filiale. Die Damen tragen selbstverständlich Etro. Der einst so mächtige Kean Etro scheint zu einem Frühstücksdirektor geworden zu sein. Seit zwei Jahren heißt Etros Kreativdirektor Marco De Vincenzo. Der wird vieles ändern, wie wir dem kurzen Dokumentarfilm ✺Radical Etro entnehmen können.

Das Muster, das heute den Namen einer schottischen Stadt trägt, kommt nicht aus Schottland, es kommt aus dem Fernen Osten. Indien oder Persien, da sind sich die Fachleute nicht so ganz einig. Aber die East India Company bringt die Muster der Stoffe nach England. Die indische Herkunft des Musters brachte auch die amerikanichen Hippies, die Hermann Hesses Siddharthazu einem Bestseller machten, dazu, sich in Paisley Stoffe zu kleiden. Auch die Beatles haben so etwas getragen. In der Industrial Revolution war die kleine schottische Stadt Paisley zu einem Zentrum der Weberei von ganz fein gedrehter Baumwolle geworden, die die Seide ersetzen sollte. Die preiswerte Nachahmung der edlen Cashmere Schals und Tücher wurde ein Welterfolg. Obgleich man in Spitalsfield eine eigene Seidenproduktion hatte, wurde im 18. Jahrhundert mehr und mehr Baumwolle getragen. Lesen Sie mehr dazu in 18th century: Fashion.

Dies ist Margaret Kemble Gage, die Gattin des englischen Generals Thomas Gage. Gemalt um 1771 von John Singleton Copley. Sie trägt solche edlen Tücher, die Jahrzehnte später in Paisley nachgeahmt werden. Das turbanähnliche Gebilde, das sie auf dem Kopf trägt, ist ein hauchdünner Cashmere Schal, das ist damals eine große Mode. Die Schals waren so gewebt, dass man sie angeblich durch einen Ring ziehen konnte. Wir haben jetzt im 18. Jahrhundert etwas, das Historiker als Türkenmode bezeichnen. Mozarts Entführung aus dem Serailund sein ✺Rondo alle turca haben auch etwas damit zu tun. Das Paisley Muster hat man früher auch einmal als türkische Gurke bezeichnet.

Die großen Textilfabriken von Paisley, die William Blakesicherlich als dark satanic mills bezeichnet hätte, stehen heute leer. Die Zeit, in der King Cotton herrschte und man die fein gedrehte Bauwolle spann, dauerte nur ein halbes Jahrhundert. Unter der Führung von Thomas Coats war Paisley zum Weltmarktführer im Garnhandel geworden, aber die Wirtschaftskrise der 1840er Jahre setzte der Stadt schwer zu. Die Cotton Panic von 1861 verschlimmert die Lage noch. Die Coats Viyella Grupppe gibt es heute immer noch, doch Paisley spielt für sie keine Rolle mehr. An die stolze Zeit erinnert heute cin Museum für die Garnindustrie. Der Premierminister Robert Peel setzte sich persönlich energisch für die Stadt ein. Und bat die Königin Victoria, in der Öffentlichkeit doch Paisley Schals zu tragen, was sie auch tat. 1842 kaufte sie siebzehn Paisley Schals. Und zum 400-jährigen Jubiläum der Stadt stattete sie Paisley einen Besuch ab.

Ein solches Etro Hemd habe ich nicht, würde ich auch nicht haben wollen. Ich habe ein paar Etro Hemden und ein paar ganz wilde Etro Schlipse in Pink. Mit ganz großen roten Paisley Mustern. Bunte Hemden sind nicht so mein Ding. Aber mein Freund Peter hat früher bunte Hemden mit floralen Mustern getragen, sozusagen als Berufskleidung. Er war nämlich Professor für Kinderheilkunde, und die Kiddies mochten im Krankenhaus einen Arzt in bunten Hemden lieber als einen im steifen weißen Eppendorf Kittel. Ich habe diesen Post mit meinem Etro Lieblingshemd geschrieben. Das ist nicht ganz weiss, hat eher einen Stich ins Gelbliche. Und hat in unregelmäßigen Abständen violette, dunkelblaue, gelbe und braune Streifen da drauf. Dick und dünn. Ein klein bisschen exzentrisch ist das schon.

Dass der Brillenkönig Fielmann tot ist, erfuhr ich durch meine Leser. Weil plötzlich aberhunderte Leser den Post Caspar von Saldern lasen, den ich 2011 geschrieben hatte. War was mit dem? Ich las mir den Post noch einmal durch, fügte noch einen Link zu Katharina der Großen ein (ich hätte uach einen Link zu Bolotow einfügen können) und klappte den Post wieder zu. Aber kurz vorm Einschlafen, sagte ich mir: Fielmann. Die lesen den Post alle, weil da Günther Fielmann drin vorkommt. Der Post Caspar von Saldern ist ebenso wie der Post Ingahild Grathmer auf der Top Ten Liste der letzten Woche nach oben gewandert. Wir wissen natürlich, dass Ingahild Grathmer nur der Künstlername der dänischen Königin ist, die demnächst abdanken will. Sie ist hier auch schon in dem Post skandinavische Mode; und in dem Post des Königs Jaguar können Sie lesen, wo ich die einundzwanzigjährige Prinzessin zum ersten Mal gesehen habe.

So sieht es bei Fielmann in Kiel aus, wenn da keine Kunden drin sind. Vor vierzig Jahren hat Fielmann hier sein erstes Super Center eröffnet. Wenn da Kunden drin sind, dann sieht es nicht so aus, dann ist man froh, wenn man eine der vier Kassen hier vorne erreicht hat. Und dann zur Tür geleitet wird. Das ist dem Laden wichtig, dass man beim Kommen und Gehen die Tür aufgehalten bekommt. In feinen Geschäften ist das so, aber Fielmann ist kein feines Geschäft. Als ich dort eine kleine Reparatur bezahlen wollte, sagte mir ein schnöseliger Geschäftsführer: Lass man stecken. Das ist ein Satz, den hört man auf dem Flohmarkt oder in St Pauli, aber nicht in einem Laden, der was Besseres sein will. Ich bin da auch nie wieder gewesen.

Es gibt ja bessere Läden. Zum Beispiel mein Optiker um die Ecke. Das Geschäft heißt Brillen Galerie, weil da neben den Brillen auch immer Kunst hängt. Meine Computerbrille (handmade) und meine Fernsehbrille habe ich von Herrn Ludwig. Die Fernsehbrille ist gerade ganz neu, die alte war zwischen Bücherstapeln verschwunden. Ich habe sie wiedergefunden, aber ich brauchte eh eine neue. Die ist jetzt von Rodenstock aus Eco Friendly Acetate. Was es nicht alles gibt. Wenn ich einen QLED Fernseher hätte, würde ich vielleicht keine Brille brauchen. Außer für Computer und den Fernseher benutze ich sowieso keine Brille. Die Zeitung lese ich morgens ohne Brille, Bücher auch, wenn sie nicht zu kleingedruckt sind.

Warum war ich damals bei Fielmann? Weil mir ein Student erzählt hatte, es gäbe da Ray Ban Wayfarer Kopien für zehn Euro. Die gab es, aber die hatten kein langes Leben. Wenn man wie die Blues Brothers aussehen will, findet man auf Flohmärkten immer noch ein preiswertes Vintage Modell. Es braucht auch keine Ray Ban zu sein, die deutsche Firma Röhm hat da in ihrer Blue Matrix Kollektion auch gute, preiswerte Modelle. Diese Ray Ban hier habe ich vor vielen Jahren geschenkt bekommen, die gab es damals gar nicht im Handel. Hat mir meine Schwägerin gesagt, die aus einer Augsburger Optikerfamilie kommt. Inzwischen gibt es die Brille auch im Handel, ist aber sauteuer. Man erkennt sie sofort an den goldenen Ray Ban Plaketten auf den Brillenbügeln. Meine zweitliebste Sonnenbrille ist eine Menrad, bei der das ganze Gestell farblos ist.

Auch wenn ich keine Brillen brauchte, Sonnenbrillen hatte ich immer. Niemals diese verspiegelten Pilotenbrillen, die heute Pornobrillen heißen. Eher so etwas, das Zbigniew Cybulski, der polnische James Dean, auf der Nase hatte. Es hat noch nie am Theaterhimmel einen Schauspieler gegeben, der spielen konnte, ohne seine Augen zu gebrauchen, und ich weiß, es wird auch keinen mehr geben. Umso besser! Man wird sich ewig an ihn erinnern, und das ist mehr, als man über viele Schauspieler sagen kann, hat Marlene Dietrich gesagt.

Der Brillenkönig Günther Fielmann, den man einmal den Robin Hood der Fehlsichtigen genannt hat, ist im Alter von vierundachtizg Jahren auf seinem Hof Lütjensee gestorben. Er war nicht nur Brillenkönig, er war auch Öko-Landwirt. Er hat Milliarden verdient und viele gute Werke getan. Er hat Axel Springers Schierensee und das Plöner Schloss gekauft, die richtigen Immobilien für einen König. Aber er hat da nie gewohnt, sein Bauernhof in Lütjensee war seine Welt. Seine Angestellten haben von all dem wenig gehabt, Fielmann zahlt nur den Mindestlohn und mit dem Betriebsklima steht es in vielen Filialen nicht zum Besten.

Aber auf der Fielmann Homepage ist das Unternehmen natürlich ganz großartig. Irgendwann schreibe ich mal über Sonnenbrillen, über Leute wie Marcello MastroianniElvis, Zbigniew Cybulski, Udo Lindenberg (its never too dark to be cool) und Karl Lagerfeld. Und alle die, die durch ihre Sonnenbrille berühmt geworden sind.

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George Bryan Brummell, den wir besser als Beau Brummell kennen, wurde heute vor 245 Jahren in London geboren. Er war ein Dandy, der mehrere Stunden brauchte, um sich anzukleiden. Weil er perfekt sein wollte, nicht auffallen wollte: To be truly elegant one should not be noticed. Aufzufallen ist gefährlich für einen Dandy: If people turn to look at you on the street, you are not well dressed, but either too stiff, too tight, or too fashionable. Brummell polierte seine Stiefel mit Champaganer. Er wurde hier kürzlich in dem Post Richard von Schaukal erwähnt, und es gibt natürlich schon seit langem den Post Beau BrummellVon 1799 bis 1814 hat es in London keine Festlichkeit gegeben, wobei nicht die Anwesenheit des großen Dandys als ein Triumph, seine Abwesenheit als eine Katastrophe betrachtet worden wäre, schrieb der französische Schriftsteller Jules Barbey d’Aurevilly in seiner Biographie, die Sie in der Übersetzung von Richard von Schaukal →hier lesen können. 

Der Dandy ist ein Mann, dessen Status, Arbeit und Existenz im Tragen von Kleidung besteht. Er widmet jedes Vermögen seiner Seele, seines Geistes, seiner Geldbörse und seiner Person heldenhaft der Kunst, seine Kleidung gut zu tragen: Während die anderen sich kleiden, um zu leben, lebt er, um sich zu kleiden, hat Thomas Carlyle 1834 in →Sartor Resartus gesagt. Zu dem Buch bemerkte der große Dandy Max Beerbohm (der in den 1890er Jahren seine wunderbaren Skizzen schrieb, die als →Dandies and Dandies erschienen) etwas gehässig: That anyone who dressed so badly as did Thomas Carlyle should have tried to construct a philosophy of clothes has always seemed to me one of the most pathetic things in literature.

Ich kann Barbey d’Aurevilly, Carlyle und Max Beerbohm heute im Vollttext anbieten, aber leider nicht das Buch The Dandy: Brummell to Beerbohm von Ellen Moers, da kann man im Internet Archive nur die ersten Seiten sehen. Aber heute am Geburtstag von George Brummell kann ich einen Text präsentieren, der vielleicht nicht so bekannt ist. Es ist ein Essay, den die Autorin am 20. November 1929 in der Sendereihe Miniature Biographies der BBC vorlas. Er wurde Tage später in der BBC Zeitschrift The Listenergedruckt, und sie hat ihn dann 1932 in ihr Buch The Common Reader: Second Series aufgenommen. Der Essay heißt George Brummell und die Autorin ist niemand anders als Virginia Woolf. Auf deutsch ist der Essay im Jahre 2015 im Steidl Verlag erschienen, aber Sie wollen sicherlich das Original lesen, das ich Ihnen hier anbieten kann:

When Cowper, in the seclusion of Olney, was roused to anger by the thought of the Duchess of Devonshire and predicted a time when „instead of a girdle there will be a rent, and instead of beauty, baldness“, he was acknowledging the power of the lady whom he thought so despicable. Why, otherwise, should she haunt the damp solitudes of Olney? Why should the rustle of her silken skirts disturb those gloomy meditations? Undoubtedly the Duchess was a good haunter. Long after those words were written, when she was dead and buried beneath a tinsel coronet, her ghost mounted the stairs of a very different dwelling-place. 

An old man was sitting in his arm-chair at Caen. The door opened, and the servant announced, „The Duchess of Devonshire“. Beau Brummell at once rose, went to the door and made a bow that would have graced the Court of St. James’s. Only, unfortunately, there was nobody there. The cold air blew up the staircase of an Inn. The Duchess was long dead, and Beau Brummell, in his old age and imbecility, was dreaming that he was back in London again giving a party. Cowper’s curse had come true for both of them. The Duchess lay in her shroud, and Brummell, whose clothes had been the envy of kings, had now only one pair of much-mended trousers, which he hid as best he could under a tattered cloak. As for his hair, that had been shaved by order of the doctor.


But though Cowper’s sour predictions had thus come to pass, both the Duchess and the dandy might claim that they had had their day. They had been great figures in their time. Of the two, perhaps Brummell might boast the more miraculous career. He had no advantage of birth, and but little of fortune. His grandfather had let rooms in St. James’s Street. He had only a moderate capital of thirty thousand pounds to begin with, and his beauty, of figure rather than of face, was marred by a broken nose. Yet without a single noble, important, or valuable action to his credit he cuts a figure; he stands for a symbol; his ghost walks among us still. The reason for this eminence is now a little difficult to determine. Skill of hand and nicety of judgment were his, of course, otherwise he would not have brought the art of tying neck-cloths to perfection. The story is, perhaps, too well known—how he drew his head far back and sunk his chin slowly down so that the cloth wrinkled in perfect symmetry, or if one wrinkle were too deep or too shallow, the cloth was thrown into a basket and the attempt renewed, while the Prince of Wales sat, hour after hour, watching. Yet skill of hand and nicety of judgment were not enough. 

Brummell owed his ascendency to some curious combination of wit, of taste, of insolence, of independence—for he was never a toady—which it were too heavy-handed to call a philosophy of life, but served the purpose. At any rate, ever since he was the most popular boy at Eton, coolly jesting when they were for throwing a bargee into the river, „My good fellows, don’t send him into the river; the man is evidently in a high state of perspiration, and it almost amounts to a certainty that he will catch cold“, he floated buoyantly and gaily and without apparent effort to the top of whatever society he found himself among. Even when he was a captain in the Tenth Hussars and so scandalously inattentive to duty that he only knew his troop by „the very large blue nose“ of one of the men, he was liked and tolerated. When he resigned his commission, for the regiment was to be sent to Manchester—and „I really could not go—think, your Royal Highness, Manchester!“—he had only to set up house in Chesterfield Street to become the head of the most jealous and exclusive society of his time. 

For example, he was at Almack’s one night talking to Lord ——. The Duchess of —— was there, escorting her young daughter, Lady Louisa. The Duchess caught sight of Mr. Brummell, and at once warned her daughter that if that gentleman near the door came and spoke to them she was to be careful to impress him favourably, „for“, and she sank her voice to a whisper, „he is the celebrated Mr. Brummell“. Lady Louisa might well have wondered why a Mr. Brummell was celebrated, and why a Duke’s daughter need take care to impress a Mr. Brummell. And then, directly he began to move towards them, the reason of her mother’s warning became apparent. The grace of his carriage was so astonishing; his bows were so exquisite. Everybody looked overdressed or badly dressed—some, indeed, looked positively dirty—beside him. His clothes seemed to melt into each other with the perfection of their cut and the quiet harmony of their colour. Without a single point of emphasis everything was distinguished—from his bow to the way he opened his snuff-box, with his left hand invariably. He was the personification of freshness and cleanliness and order. One could well believe that he had his chair brought into his dressing-room and was deposited at Almack’s without letting a puff of wind disturb his curls or a spot of mud stain his shoes. 

When he actually spoke to her, Lady Louisa would be at first enchanted—no one was more agreeable, more amusing, had a manner that was more flattering and enticing—and then she would be puzzled. It was quite possible that before the evening was out he would ask her to marry him, and yet his manner of doing it was such that the most ingenuous debutante could not believe that he meant it seriously. His odd grey eyes seemed to contradict his lips; they had a look in them which made the sincerity of his compliments very doubtful. And then he said very cutting things about other people. They were not exactly witty; they were certainly not profound; but they were so skilful, so adroit—they had a twist in them which made them slip into the mind and stay there when more important phrases were forgotten. He had downed the Regent himself with his dexterous „Who’s your fat friend?“ and his method was the same with humbler people who snubbed him or bored him. „Why, what could I do, my good fellow, but cut the connection? I discovered that Lady Mary actually ate cabbage!“—so he explained to a friend his failure to marry a lady. And, again, when some dull citizen pestered him about his tour to the North, „Which of the lakes do I admire?“ he asked his valet. „Windermere, sir.“ „Ah, yes—Windermere, so it is—Windermere.“ That was his style, flickering, sneering, hovering on the verge of insolence, skimming the edge of nonsense, but always keeping within some curious mean, so that one knew the false Brummell story from the true by its exaggeration. Brummell could never have said, „Wales, ring the bell“, any more than he could have worn a brightly coloured waistcoat or a glaring necktie. That „certain exquisite propriety“ which Lord Byron remarked in his dress stamped his whole being, and made him appear cool, refined, and debonair among the gentlemen who talked only of sport, which Brummell detested, and smelt of the stable, which Brummell never visited. Lady Louisa might well be on tenter-hooks to impress Mr. Brummell favourably. Mr. Brummell’s good opinion was of the utmost importance in the world of Lady Louisa.

And unless that world fell into ruins his rule seemed assured. Handsome, heartless, and cynical, the Beau seemed invulnerable. His taste was impeccable, his health admirable, and his figure as fine as ever. His rule had lasted many years and survived many vicissitudes. The French Revolution had passed over his head without disordering a single hair. Empires had risen and fallen while he experimented with the crease of a neck-cloth and criticised the cut of a coat. Now the battle of Waterloo had been fought and peace had come. The battle left him untouched; it was the peace that undid him. For some time past he had been winning and losing at the gaming-tables. Harriette Wilson had heard that he was ruined, and then, not without disappointment, that he was safe again. Now, with the armies disbanded, there was let loose upon London a horde of rough, ill-mannered men who had been fighting all those years and were determined to enjoy themselves. They flooded the gaming-houses. They played very high. Brummell was forced into competition. He lost and won and vowed never to play again, and then he did play again. At last his remaining ten thousand pounds was gone. He borrowed until he could borrow no more. And finally, to crown the loss of so many thousands, he lost the sixpenny-bit with a hole in it which had always brought him good luck. He gave it by mistake to a hackney coachman: that rascal Rothschild got hold of it, he said, and that was the end of his luck. Such was his own account of the affair—other people put a less innocent interpretation on the matter. At any rate there came a day, 16th May 1816, to be precise—it was a day upon which everything was precise—when he dined alone off a cold fowl and a bottle of claret at Watier’s, attended the opera, and then took coach for Dover. He drove rapidly all through the night and reached Calais the day after. He never set foot in England again.

And now a curious process of disintegration set in. The peculiar and highly artificial society of London had acted as a preservative; it had kept him in being; it had concentrated him into one single gem. Now that the pressure was removed, the odds and ends, so trifling separately, so brilliant in combination, which had made up the being of the Beau, fell asunder and revealed what lay beneath. At first his lustre seemed undiminished. His old friends crossed the water to see him and made a point of standing him a dinner and leaving a little present behind them at his bankers. He held his usual levee at his lodgings; he spent the usual hours washing and dressing; he rubbed his teeth with a red root, tweezed out hairs with a silver tweezer, tied his cravat to admiration, and issued at four precisely as perfectly equipped as if the Rue Royale had been St. James’s Street and the Prince himself had hung upon his arm. But the Rue Royale was not St. James’s Street; the old French Countess who spat on the floor was not the Duchess of Devonshire; the good bourgeois who pressed him to dine off goose at four was not Lord Alvanley; and though he soon won for himself the title of Roi de Calais, and was known to workmen as „George, ring the bell“, the praise was gross, the society coarse, and the amusements of Calais very slender. 

The Beau had to fall back upon the resources of his own mind. These might have been considerable. According to Lady Hester Stanhope, he might have been, had he chosen, a very clever man; and when she told him so, the Beau admitted that he had wasted his talents because a dandy’s way of life was the only one „which could place him in a prominent light, and enable him to separate himself from the ordinary herd of men, whom he held in considerable contempt“. That way of life allowed of verse-making—his verses, called „The Butterfly’s Funeral“, were much admired; and of singing, and of some dexterity with the pencil. But now, when the summer days were so long and so empty, he found that such accomplishments hardly served to while away the time. He tried to occupy himself with writing his memoirs; he bought a screen and spent hours pasting it with pictures of great men and beautiful ladies whose virtues and frailties were symbolised by hyenas, by wasps, by profusions of cupids, fitted together with extraordinary skill; he collected Buhl furniture; he wrote letters in a curiously elegant and elaborate style to ladies. But these occupations palled. The resources of his mind had been whittled away in the course of years; now they failed him. And then the crumbling process went a little farther, and another organ was laid bare—the heart. He who had played at love all these years and kept so adroitly beyond the range of passion, now made violent advances to girls who were young enough to be his daughters. He wrote such passionate letters to Mademoiselle Ellen of Caen that she did not know whether to laugh or to be angry. She was angry, and the Beau, who had tryannised over the daughters of Dukes, prostrated himself before her in despair. But it was too late—the heart after all these years was not a very engaging object even to a simple country girl, and he seems at last to have lavished his affections upon animals. He mourned his terrier Vick for three weeks; he had a friendship with a mouse; he became the champion of all the neglected cats and starving dogs in Caen. Indeed, he said to a lady that if a man and a dog were drowning in the same pond he would prefer to save the dog—if, that is, there were nobody looking. 

But he was still persuaded that everybody was looking; and his immense regard for appearances gave him a certain stoical endurance. Thus, when paralysis struck him at dinner he left the table without a sign; sunk deep in debt as he was, he still picked his way over the cobbles on the points of his toes to preserve his shoes, and when the terrible day came and he was thrown into prison he won the admiration of murderers and thieves by appearing among them as cool and courteous as if about to pay a morning call. But if he were to continue to act his part, it was essential that he should be supported—he must have a sufficiency of boot polish, gallons of eau-de-Cologne, and three changes of linen every day. His expenditure upon these items was enormous. Generous as his old friends were, and persistently as he supplicated them, there came a time when they could be squeezed no longer. It was decreed that he was to content himself with one change of linen daily, and his allowance was to admit of necessaries only. But how could a Brummell exist upon necessaries only? The demand was absurd. Soon afterwards he showed his sense of the gravity of the situation by mounting a black silk neck-cloth. Black silk neck-cloths had always been his aversion. It was a signal of despair, a sign that the end was in sight. 

After that everything that had supported him and kept him in being dissolved. His self-respect vanished. He would dine with anyone who would pay the bill. His memory weakened and he told the same story over and over again till even the burghers of Caen were bored. Then his manners degenerated. His extreme cleanliness lapsed into carelessness, and then into positive filth. People objected to his presence in the dining-room of the hotel. Then his mind went—he thought that the Duchess of Devonshire was coming up the stairs when it was only the wind. At last but one passion remained intact among the crumbled debris of so many—an immense greed. To buy Rheims biscuits he sacrificed the greatest treasure that remained to him—he sold his snuff-box. And then nothing was left but a heap of disagreeables, a mass of corruption, a senile and disgusting old man fit only for the charity of nuns and the protection of an asylum. There the clergyman begged him to pray. „‚I do try‘, he said, but he added something which made me doubt whether he understood me.“ Certainly, he would try; for the clergyman wished it and he had always been polite. He had been polite to thieves and to duchesses and to God Himself. But it was no use trying any longer. He could believe in nothing now except a hot fire, sweet biscuits, and another cup of coffee if he asked for it. 

And so there was nothing for it but that the Beau who had been compact of grace and sweetness should be shuffled into the grave like any other ill-dressed, ill-bred, unneeded old man. Still, one must remember that Byron, in his moments of dandyism, „always pronounced the name of Brummell with a mingled emotion of respect and jealousy“.

Virginia Woolf beginnt ihren Essay mit dem Ende von Brummel, in dem Punkt ist der Franzose Michel Onfray in seinem kleinen Buch Leben und Tod eines Dandys: Die Konstruktion eines Mythos noch genauer. Und bösartiger: Am Abend des 16. Mai 1816 aß Brummel in einem der Dandy-Clubs Geflügel und trank dazu einen edlen Bordeaux. Später ließ er sich in der Oper blicken. Nach diesem letzten Auftritt stieg er in seine mit ausgewählten Gegenständen bepackte Kutsche und fuhr durch ärmliche Viertel zum Hafen. Am 17. schiffte er sich nach Calais ein. Am 19. überquerte er den Ärmelkanal, während Gläubiger seine Londoner Wohnung versiegeln ließen. Am 22. wurde sein Hab und Gut in London versteigert. George Bryan Brummel war damals neununddreißig Jahre alt und hatte noch dreiundzwanzig Jahre der Verwahrlosung vor sich. Sie waren das Gegenteil dessen, was man sich unter Dandyismus vorstellt.

Wenn Sie lieber bewegte Bilder haben wollen, dann habe ich auch noch den Film Beau Brummell: This Charming Man für Sie.


Man nennt mich einen Dandy. Die Bezeichnung will ich gelten lassen. Aber die Meinung ist falsch. Ich bin ein Dandy. (Freilich noch einiges mehr; aber das Äußerlichste an mir, die für die Menschen sichtbare ‚Zwiebelschale‘ meiner Persönlichkeit ist das Dandytum.) Die Leute fassen jedoch den Begriff ganz oberflächlich auf; dies ist wörtlich zu nehmen: sie begreifen nur seine Oberfläche. Man verwechselt den Dandy mit dem Gecken, dem fat. Wenn Kurzsichtige in mir einen Gecken zu erblicken meinen und ihre primitive Erfahrung in dem Begriffe Dandy endgültig festzulegen, also zu begraben unternehmen, — denn Begriffe begraben das Leben der Erscheinung, während sie anderseits den Gedanken gleichsam erstarren machen, und man braucht solche Krystalle zu Zwecken des vereinfachten Verkehrs — dann sehen die Menschen an mir nichts als etwa den tadellos geschnittenen Rock, den niemals gesprungenen Lack meiner Schuhe, den täglich frisch gebügelten Zylinder und der gleichen Zeichen, die ihren vom empörten Gefühl des Unvermögens getrübten Augen als die Merkmale eines Gecken gelten müssen, weil sie selbst nicht imstande sind, sich auch nur menschlich zu kleiden, geschweige denn die Nüancen der guten Toilette zu begreifen. Daß sorgfältige Kleidung ihren Träger keineswegs zum Gecken stempelt, wird man Menschen von so dürftiger Anschauung niemals klar zu machen vermögend sein. 

Der Mann, der etwas auf sich hält, im Geistigen wie im Physischen, wird ebenso seinen Intellekt wie seine Nägel pflegen, seine Wäsche ebensowenig wie seine Gedanken vernachlässigen, aber bei all seiner Korrektheit — denn dies ist das gültige Wort — niemals das Impromptu mißachten. Es ließe sich natürlich, pathetisch ausgedrückt, ein Eid darauf schwören, daß die Leute, die den Korrekten mit dem Elegant zu verwechseln blöde genug sind, keine Ahnung davon haben, was es heißt, das Impromptu nicht außer acht zu lassen, und hierin gerade liegt das Wesen des Dandisme. In diesem Sinne sage ich, daß man, wenn man mich einen Dandy nennt, etwas Richtiges ausspreche und doch etwas Falsches darunter verstehe. Ich bin ein Dandy, nicht weil ich korrekt bin, sondern weil ich bei aller Korrektheit niemals das Impromptu außer acht lasse. Der Korrekte, der es außer acht läßt, ist der Gentleman.

Was Sie hier lesen, ist ein über hundert Jahre alter Text zum Thema des Dandyismus. Nicht irgendein Text, für manche ist es der Text überhaupt. Er stammt aus dem Buch →Leben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser, eines Dandy und Dilettanten, wenn Sie den Buchtitel anklicken, sind Sie schon im Buch. Das stelle ich heute hier ein, weil Richard von Schaukal, der Autor des wunderbar exzentrischen Buches, heute Geburtstag hat. Der österreichische Dichter ist in diesem Blog schon einmal erwähnt worden. Sie könnten jetzt den Post Beau Brummell lesen, dann sind Sie im Thema. 

Als der Kaiser den Dr. jur. Richard Schaukal adelte, gab der seinen Beamtenberuf auf und widmete sich nur noch der Dichtkunst und der Übersetzung (zum Beispiel Mallarmé und Mérimée). Er hat auch aus dem Französischen einen Klassiker der Dandyliteratur übersetzt: J.-A. Barbey d’Aurevilly: Vom Dandytum und von G. BrummelIns Deutsche übertragen und eingeleitet von Richard Schaukal (1909). Vielleicht gab diese Übersetzung die Anregung, das Balthesser Buch zu schreiben (Sie können hier alles über die Entstehung lesen).

Zwei Jahre, bevor das Buch über den Dandy erscheint, schreibt Schaukal in sein Notizbuch: Abgeschlossen – Plan vor ein paar Tagen vage gefaßt – ein Buch aus der Arabeske Balthesser zu machen. Andreas von Balthesser, Das Buch vom Dandy; Vorbild: Hofmannsthal, viel eigenes dazu (in Ironie abtun, Eierschalen der Entwicklung) das ganze Buch stilistisch und auf eine dezente Note gestimmt. Gegengewicht gegen das senti­mental-inbrünstige Buch „Großmutter“. Parallele Arbeit an beiden. Wollen sehen! Es wird sein erfolgreichstes Buch werden. Ich frage mich nur: weshalb trägt der Wiener Dandy zu seinem Frack eine schwarze Weste? Ist auf diesem Ausschnitt nicht zuu sehen. Aber sie ist da. Die weißen Handschuhe und der schwarze Zylinder sind auch da zu sehen. Die sind comme il faut. Aber die schwarze Weste? Ich weiß nicht. Vielleicht muss man da erst einmal sein Buch →Vom Geschmack: Zeitgemäße Laienpredigten über das Thema Kultur lesen, um das zu verstehen.

Er sei ein Krummliniger, ein Vielseitiger hat er über sich gesagt. Und er ist wirklich schwer einzuordnen. Da gibt es Liebesgedichte en masse(klicken Sie doch einmal →hier), aber es gibt auch Besinnliches und Patriotisches auf der Seite →Die deutsche Gedichtebibliothek. Und dann sind da seine literaturwissenschaftlichen Arbeiten wie die kleine →Wilhelm Busch Biographie. Oder der lange →Adalbert Stifter Essay. Den fand ich sehr interessant, aber die Lektüre hat mich nicht dazu bewegt, endlich Stifters Nachsommer zuende zu lesen. Dass ich den Roman immer noch nicht ganz gelesen habe, steht schon in den Posts Adalbert Stifter und Mein Stifter. Die auch sehr lesenswert sind.

Der spanische Modeschöpfer Paco Rabanne ist im Alter von achtundachtzig Jahren gestorben. Seine Parfüms und seine Rasierwasser kann man heute noch kaufen, sogar Online. Für die Duftwässer hat er vor Jahrzehnten einen Deal mit der Firma Puig gemacht. Die bedauert auf ihrer Seite mit profound sadness den Tod von Rabanne. Rabannes ganze Fima gehört inzwischen Puig. Über seine Aftershaves kann ich nichts sagen, mich fazinieren nur die Flaschen von Produkten wie Phantom oder Invictus. Ist das Designwille oder stehengebliebenes Space Age? Dies hier waren die ersten Bekleidungsstücke, die ihn berühmt machten. Er war der Designer für den Film Barbarella, in dem Jane Fonda viele absurde Klamottten trug.

Keine der jungen Frauen, die ich damals kannte, trug Paco Rabanne. Die trugen Marimekkoerle zf (was für zierliche Frau stand) oder nähten sich selbst was Schönes. Trugen vielleicht mal einen Minirock von Mary Quant. Miniröcke waren in Bremen keine Seltenheit, denn da gab es Evelyn Frisinger, die mit ihrer Boutique Evelyn das Swinging London nach Bremen brachte. Sie war als Au Pair Girl in London gewesen; kam mit einem gelben Minirock zurück und machte ihre Boutique auf. Und nähte wenig später die Kostüme für den Beat Club von Mike Leckebusch. Damals beschäftigte sie vierzehn Schneiderinnen. 

Uschi Nerke, die die schärfsten Miniröcke Deutschlands trug, nähte sich ihre Röcke selbst. Ich weiß nicht, ob Mary Quant das je erfahren hat, aber mit dem Erfolg des Minirocks in Deutschland wäre es ohne Uschi Nerke und Evelyn Frisinger wahrscheinlich nichts geworden. Uschis kurze Röcke beschäftigen irgendwann sogar die katholische Kirche. Und natürlich die Bild Zeitung, die sich eine Schlagzeile wie Trägt Uschi zu kurz? nicht nehmen ließ. Uschis Röcke wurden kürzer, bis sie irgendwann nur noch ein breiter Gürtel waren. 

Und eines Tages moderierte Uschi die Sendung nackt aus einer Badewanne. Wenn ich mich recht erinnere, ist damals – trotz des Aufschreis der Fernsehzuschauer, der katholischen Kirche und der Bild Zeitung – das Abendland nicht untergegangen. Evelyn Frisinger hat vor zehn Jahren ihre Boutique geschlossen, aber als ✺Jazzsängerin tritt die Frau, deren Vater Gitarrist bei James Last war, heute noch auf. Evelyn Frisinger hat wilde Mode nach Bremen gebracht, aber die Kleider von Paco Rabanne waren nicht dabei.

Ich glaube, es gab sowieso nur eine einzige Frau auf der Welt, die Paco Rabanne tragen konnte. Und das war Audrey Hepburn hier in dem Film ✺Two for the Road. Ob sie, die sonst nur Givenchy trug, das klappernde Blechkleid auch noch nach den Dreharbeiten getragen hat, weiß niemand. Die Firma Paco Rabanne hat das Modell aber vor drei Jahren wieder in die Kollektion genommen. Weil es a true legend ist, sozusagen ein Klassiker. Das fanden nicht alle. In ihrem Nachruf auf Thierry Mugler nannte die FAZ Paco Rabanne den Kettenhemd-Klempner.

Wir müssen allerdings bedenken, dass Rabanne damals nicht der einzige war, der futuristische Damenmode entwarf. Seine Kollegen Pierre Cardin und André Courrèges machten ja Ähnliches, häufig konnte man ihre Kreationen nicht voneinander unterscheiden. Vieles davon war schlicht absurd, war nur eine Illustration des Gedichts Sogenannte Klassefrauen von Erich Kästner. Paco Rabannes Kollektionen interessiertes uns in den Sixties nicht. Weil wir damals Exis waren. Sartre und Camus lasen, Tweedjacketts und Rollkragenpullover trugen. Und wir nie mit Frauen ausgegangen wären, die so aussahen wie dieses Paco Rabanne Modell. Mit Audrey Hepburn wären wir schon ausgegangen, aber wir hätten ihr vorher ein hübsches Kleid ohne Blech gekauft.

Die italienische Firma Fray ist nicht so bekannt wie Borrelli, Finamore oder Lorenzini. Es gibt sie seit 1962, und seit 1991 hat sie noch eine Schwesterfirma, die Pegaso heißt. Die stand kurz vor dem Untergang, da hat die Firma Fray sie gekauft. Es gibt qualitativ und preislich keinen Unterschied zwischen den beiden Firmen. Die Hemden tauchen selten bei ebay auf, dieses hier allerdings letztens schon. Neu und ungetragen. Kostete im Sofortkauf fünfzehn Euro, habe ich sofort gekauft. Sie wollen lieber nicht wissen, was solch ein Hemd im Laden kostet. Meine Fray und Pegaso Hemden haben mich vor vielen Jahren nie mehr als zehn Markin einem Secondhand Laden gekostet. Deshalb habe ich ganz viele davon. Und kann leicht etwas über ihre Qualität sagen.

Es sind unauffällige, ja geradezu langweilige Hemden. Sie sind meistens weit geschnitten und haben all das, was ein italienisches Luxushemd ausmacht: Handarbeit, handgenähte Knopflöcher, perfekte Musteranpassung, Nähte mit zehn Stichen pro Zentimeter, erstklassige Stoffe und dicke Knöpfe. Und manchmal noch unten am Hemd, der Knopfleiste gegenüber, ein kleines Stück zusätzlichen Stoffs, das verhindert, dass das Hemd aus der Hose rutscht. Sie haben keine Dreiecke in den Seitennähten wie das Finamore und Borrelli haben. Sie haben da einen kleinen fünfeckigen Stoffknubbel. Den man genauso bei den Hemden von Werner Scherer und Rudolf Böll findet. Das Geschäft von Rudolf Böll in Rottach-Egern scheint dem Untergang geweiht. Die prachtvolle Internetseite ist gelöscht und Teile der Kollektion werden jetzt von Werner Scherer mit Sonderpreisen verkauft.

1962 eröffnete Lucia Pasin in Bologna in der Via Borgonuovo ihr Atelier und nähte Hemden. Der Anfang der Firma Fray ähnelt dem Anfang der Firma Finamore, wo Carolina Finamore in Neapel auch in einem kleinen Atelier begann. Lucia Pasin hat später über ihre Arbeit gesagt: La passione per il proprio lavoro è una forza che non si esaurisce e non ci esaurisce. Come in amore, se c’è passione ed anima si investe tutto in se stessi e si è sicuri di farcela senza stancarsi mai. Lavoro oggi con lo stesso entusiasmo di allora. Das ist klar, dass die Italiener auch beim Nähen von Hemden das Wort amoreins Spiel bringen müssn. Angeblich, so erzählt man in der Firma, streichelt Signora Lucia jedes Hemd bevor es verpackt wird. Fray Hemden sollen dem Träger, der natürlich un uomo di cultura, amante della raffinatezza ist, Glück bringen. Das kleine Atelier wurde größer, Lucia Pasins Ehemann Giorgio Randi kümmerte sich um den Vertrieb und man zog nach Casalecchio Di Reno, was etwas außerhalb von Bologna ist.

Die Firma Fray kann auch etwas anderes, als unauffällig und langweilig zu sein. Das zeigte schon das Pegaso Hemd im ersten Absatz. Und erst recht dieses etwas exzentrische Hemd, das habe ich während des Schreibens dieses Posts getragen. Es hat ein Etikett von Werner Scherer in München, produziert wurde es von Frays Tochterfirma Pegaso. Das weiß ich, weil ich alle Details von Pegaso Hemden kenne und auch mehrere Werner Scherer Hemden besitze. Natürlich zu den Preisen der Secondhand Händler, dies hier hat mich bei ebay zwanzig Euro gekostet. Es ist ein sehr gutes Hemd, wenn eben auch ein bisschen exzentrisch. Aber das darf ich sein.

Viele Firmen in Italien sind untergegangen, wie zum Beispiel Lorenzini, Fray und Pegaso sind immer noch da. Sie gehören nicht zu den Großen, man schätzt, dass Signora Lucia in den letzten fünfzig Jahren vier Millionen Hemden gestreichelt hat. Ihr Ehemann ist vor sechs Jahren gestorben, inzwischen sind die Enkel auch im Geschäft. Man hat seit einigen Jahren einen Showroom auf der Via Montenapoleone, wo die ganze italienische Mode sitzt. Sie waren auch letzte Woche auf dem Pitti Immagine Uomo vertreten. 

Man kann Fray Hemden in Italien und Japan kaufen. Und in den USA bei Neiman Marcus, Bergdorf Goodman und ähnlichen Läden. Und in den Benelux Staaten, wie zum Beispiel bei Degand in Brüssel. Ob es wirklich in Kiew ein Geschäft gibt, dass Fray Hemden verkauft, wie auf dieser Liste steht, das bezweifle ich. In Deutschland wird es schwierig, ein Fray Hemd zu finden. Braun in Hamburg führte mal die Marke, tut das aber nicht mehr. Kennt niemand, zu teuer. Braun hat jetzt Bagutta im Programm, was früher eher eine Billigmarke war, jetzt aber zum Premiumhemd deklariert wird. Offenbar hat die Firma Fray auch mal ein Rasierwasser auf den Markt gebracht, ich weiß nicht, ob man das braucht. Auf der Internetseite von Fray steht: We want every man who wears our shirts to know he is visibly elegant. Das reicht doch.

Ich habe ihn einmal gesehen, er trug wirklich rote Schuhe, die sein Markenzeichen geworden sind. Und er hatte diese scharfe Hose an, die die Engländer drainpipes nennen. Er besuchte Michael Rieckhof, weil es in dem von Kelly gegründeten Laden Ignatious Joseph Hemden gab. Die Hemden gibt es inzwischen bei den feinsten Adressen. Auch in England. Ignatious Joseph kommt aus Sri Lanka, aber dort läßt er seine Hemden nicht herstellen, sein Ideal heißt Italo-British. Ein britischer Stil mit italienischer Lässigkeit. Mit den Engländern hat er es, denn Sri Lanka, das früher Ceylon hieß, war einmal Teil des britischen Weltreichs. 

Gegen seine Hemden kann man nichts sagen, ich habe seit Jahrzehnten mehrere von ihnen, das ist italienische Qualtätsarbeit mit viel sichtbarer Handarbeit. Und einem hervorragenden Kragen. Das Beste an den Hemden aber sind die gelben Schachteln, in denen sie kommen. Ich bewahre darin ein getipptes Romanfragment und die Einkommensteuererklärungen auf. Man kann überall im Internet lesen, dass die Hemden von Ign. Joseph in Italien hergestellt werden: The shirts are made in Europe by people who have the tradition and skills needed to make luxury clothing, the Italians, heißt es auf der Seite von Dantendorfer. Meine Hemden haben auch alle ein kleines Made in Italy Etikett. Aber jetzt stimmt das wohl nicht mehr, Ignatious Joseph hat sich von den Italienern verabschiedet. Die waren ihm zu teuer geworden und lieferten nicht mehr die Qualität, von der er träumte.

Ignatious Joseph, der seinen Firmensitz in Düsseldorf hat und den Italo-British Style pflegt, hat jetzt einen neuen Lieferanten. Nicht mehr in Italien, sondern in der Schweiz. Irgendwann werden Made in Italy und Made in Germany durch Made in Europe ersetzt, hat Joseph gesagt, aber Swiss Made wird immer Swiss Made bleiben. Vor sechzig Jahren gab es im Tessin noch fünfundzwanzig Hemdfabriken, heute gibt es nur noch eine einzige. Und die heißt Bruli und hat hier mit Schweizer Oberhemden schon einen Post. Über Josephs Wechsel zu der Schweizer Firma, die auch schon einmal die Hemden für Tom Ford und Ermenegildo Zegna genäht hatte, können Sie hier alles in der Schweizer Handelszeitung lesen. Ein bisschen Italien ist aber immer noch in den Hemden, denn die Näherinnen von Bruli, die Ignatious Joseph zehntausend Hemden im Jahr nähen, kommen alle aus Italien.

Wenn ich gestern hätte schreiben wollen, dann hätte ich über die Jazzsängerin Della Reese geschrieben, die gestern vor fünf Jahren starb. Sie wurde schon einmal in diesem Blog erwähnt, nämlich in dem Post über Ann-Margret, weil sie mal 1957 mit der auf einer Platte war. 1959 war sie mit Don’t you know berühmt geworden. Auf der Platte Della by Starlight durfte sie dann 1960 ganz allein singen. Ich habe die Platten immer noch, später habe ich mir noch einige CDs gekauft. Aber die alten Platten zu spielen, das ist natürlich reine Nostalgie.

Wenn ich gestern hätte schreiben wollen, dann hätte ich über Calvin Klein schreiben können, der am Samstag achtzig wurde. Aber der hatte gestern vor zehn Jahren hier schon den Post Calvin Klein, und genug ist genug. Ich habe mich jahrelang über ihn geärgert, weil der ganze Aufzug zum Englischen Seminar nach seinem Parfüm Obsession stank, weil offenbar alle Studentinnen riechen wollten wie Kate Moss. Sie können in dem Post Aftershave lesen, dass es auch einmal Obsession for Men gab. Hab‘ ich nie gekauft. Ich habe sowieso nix von Calvin Klein gekauft. Keine Jeans, keine U-Hosen, keine Oberhemden.

Hemden hatte er auch im Programm, dies hier ist keins davon. Es ist auch ein amerikanisches Hemd, aber eins der wenigen amerikanischen Hemden, das wirklich in Amerika gefertigt wurde. Und kein Made in China Etikett hat wie die Donald Trump Signature Collection. Dies ist ein handgenähtes Hemd von der Firma Robert Talbott, mit geteilter Schulterpasse und angepasstem Musterverlauf. Habe ich gestern, wo ich nix geschrieben und den ganzen Tag gefaulenzt habe, bei ebay erstanden. Und heute tue ich auch nix, da schaue ich aus dem Fenster und gucke mir den schönen weißen Schnee draußen an.

Im Jahre 1925 eröffnete Carolina Finamore in Neapel ein kleines Atelier und nähte Hemden. Simone Finamore hat in einem Interviewvon dem piccolo atelier seiner Urgroßmutter gesprochen. Bei einem schwedischen Händler kann man lesen, dass sie die Hemden mit der Hand nähte, weil Nähmaschinen nicht vefügbar waren. Keine Nähmaschinen in Neapel im Jahre 1925? Da war die eiserne Mamsell doch schon lange erfunden. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis aus der Nähstube eine Fabrik geworden ist. Die erste Fabrik wird in den sechziger Jahren in San Giorgio a Cremano eröffnet, heute ist der Firmensitz in Carinaro. Alles ein bisschen weg von Neapel, aber auf die Etiketten schreibt man Finamore Napoli. Wenn Sie einen Blick auf die Fabrik werfen wollen, dann klicken Sie dieses ✺Video an. Sie werden überrascht sei, wie chaotisch es in dem Turnhallen-großen Schuppen aussieht. Wie ein Finamore Hemd für eine Werbevideo genäht wird, können Sie ✺hier sehen.

Der Hamburger Herrenausstatter Braun versichert seinen Kunden, Finamore sei ein Luxus-Geheimtipp. Ein Geheimtip? Wirklich? Wenn Sie Finamore Napoli bei Google eingeben, liefert Google eine halbe Million Ergebnisse. Finamore Hemden gibt es ja nicht nur bei Braun in Hamburg oder Michael Jondral in Hannover, um mal die teuren Herrenausstatter zu nennen. Es gibt sie auch bei Breuninger und Lodenfrey. Und es gibt sie auch bei Amazon. Und bei ebay liegen mehr als 900 Finamore Hemden herum; von dort kommt mein Hemd auch, das habe ich schon in dem Post als Blogger bei WordPress gesagt.

Ein Geheimtip sieht anders aus. Aber die Leute, die diese Hemden verkaufen, müssen das mit dem Geheimtip offenbar immer wiederholen. So Michael Jondral, der den Laden von Heinrich Zapke übernommen hat: Mittlerweile ist das Sartoriale Herrenhemd des neapolitanischen Traditionsherstellers zu einem weltweiten Geheimtipp unter den wahrhaften Connaisseuren geworden und gehört ohne Zweifel in eine gut ausgestattete Herrengarderobe. Das einzige Problem, was Sie mit diesem Hemd haben werden, ist die Tatsache, dass Sie nie wieder ein anderes Herrenhemd besitzen werden möchten. Und Jondral setzt da noch etwas drauf: Die vollständig von Hand vernähten & gearbeiteten Hemden sind ein Synonym für sartoriales Handwerk, sowie sartorialen Details gleichermaßen. Kaum ein anderer Hersteller vermag es dem Finamore Napoli Hemd das Wasser zu reichen. Hier seien höchstens das Kiton Hemd, das Cesare Attolini Hemd bzw. das Luigi Borrelli oder Truzzi Hemd der Vollständigkeit halber erwähnt. 

Ich kann diese Lobhudelei so nicht bestätigen. Das Hemd ist gut, aber nicht besser als ein Hemd von Fray, Pegaso, Lillian Fock oder einer anderen italienischen Topmarke. Bleiben wir mal bei den Fakten. Das Hemd hat handgenähte Knopflöcher (die ziemlich rustikal ausfallen) und eine Musteranpassung an der Passe, die mit der Hand in den Rücken genäht ist. Das kann man sehen. Die Seitennähte sind unten mit einem kleinen Dreieck verstärkt, in das ein F gestickt ist. Solch ein Dreieck findet man heute schon beinahe überall. Sogar bei Emanuel Berg und Windsor. Was ich interessant finde, sind die Knöpfe auf der Manschette, die nicht in der Mitte sitzen. Wofür das gut ist, weiß ich nicht. Vielleicht passt die Rolex so besser unter die Manschette. Der Ärmel ist sehr schön in die Manschette eingefädelt, das muss man sagen. Aber all das sind Dinge, die man auch bei den Hemden der italienischen Oberklasse findet, ob sie nun aus Neapel, Mailand oder Rom kommen.

Oder aus Lübeck wie dieses schöne Hemd. Auf dem Etikett steht H. Heissing Tailored, verziert mit einer großen Nähnadel. Ein Symbol dafür, dass es sich hier um Schneiderarbeit handelt. Und das merkt man dem Hemd an. Heinrich Heissing hat vor zwanzig Jahren sein Atelier in der Lübecker Mengstraße eröffnet, heute hat er auch noch eine Kunstgalerie. Solch ein Hemd ist wirklich ein Geheimtip. Ich besitze drei davon, die alle Qualitätsmerkmale haben, die die neapolitanischen Hemden haben. Es ist lediglich die Werbung, die uns erzählt, dass nur eine jahrhundertealte neapolitanische Tradition gute Hemden mit der berühmten neapolitanischen Schulter (der Spalla Camicia) machen kann. Und die erste italienische Hemdenfabrik von 1890 (Truzzi) hatte ihren Sitz gar nicht in Neapel.

Finamore bezieht seine Stoffe von Alumo und Carlo Riva, und Sea Island Baumwollehaben sie auch im Programm. Sie machen auch die Hemden für die Firma Belvest (die hier schon einen Post hat), und wahrscheinlich beliefern sie ohne Label auch Herrenausstatter mit private label Hemden. Werner Scherer oder Rudolf Böll würden sich ja eher die Zunge abbeissen, als zu verraten, wer ihre Hemden näht. Es scheint zwei Qualitätsstufen zu geben: bei dem schwarzen Label (das mein Hemd hat) ist alles cucita a mano. Die Hemden mit dem weißen Label haben keine handgenähten Knopflöcher, da wird nur der Ärmel von Hand eingesetzt. Das Wappen auf dem Label sieht ein wenig wie eine mickrige Version der Fontana dell’Immacolatella, es adelt aber bestimmt das Produkt. Es gibt zwei Basis Passformen, die Milano und Napoli heißen, und es gibt noch ein Exklusivmodell, das komplett von Hand genäht ist. Kostet ein paar hundert Euro mehr.

In gewisser Weise ist Finamore heute das, was Lorenzini in den achtziger Jahren war. Allerdings machten die nur Hemden und hatten keine Pyjamahosen, Boxershorts, und Badehosen im Programm. Dies Bild zeigt, wie Finamore seine Pyjamas auf Facebook bewirbt. So etwas würde ein Gentlemen ja nicht tragen, für die feine Welt gibt es da nur Derek Rose in London. Aus dem piccolo atelier der Signora Carolina ist in vierter Generation ist ein Konfektionsunternehmen geworden, das (ebenso wie Borrelli) auch Hosen und Sakkos im Angebot hat. Weil man das Ziel hat offering collections closer to a total look concept. So etwas mit dem total look ist mir immer unheimlich. Und Finamore begibt sich damit in Konkurrenz zu italienischen Firmen (wie zum Beispiel Caruso), die in der Herstellung dieser Dinge längere Erfahrung haben. Achtzig Prozent der Produktion von Finamore gehen ins Ausland, Italiener kaufen offenbar andere Hemden. Und wahrscheinlich auch keine Finamore Pyjmas.

Dies ist mein erstes Finamore Hemd. Es wird auch das einzige bleiben, da kann Michael Jondral in Internet sagen Das beste Herrenhemd und Kein Vergleich zum Kiton oder Borrelli Hemd so viel er willEs gibt bessere Hemden. Ich habe welche im Schrank. Dass die Rolex unter die Manschette passt, habe ich übrigens ausprobiert. Mein Uhrmacher hat mir vor Jahren eine Rolex Fälschung geschenkt, ist wahrscheinlich ein russisches Automatikwerk drin, ich habe die früher immer bei der Gartenarbeit getragen. Dafür würde ich das Finamore Hemd dann aber doch nicht tragen. Und diese kleine Reihe Made in Italy wird irgendwann fortgesetzt.

Ich habe über englische Oberhemden geschrieben und über Schweizer Hemden, und ich habe dabei angekündigt, dass ich irgendwann etwas über italienische Hemden schreiben werde. Wobei in dem Post Hemdenkauf bei ebay schon einiges über die italienische Firma Borrelli gesagt wurde. Und die Firma Guy Rover hat hier auch schon einen Post. Dass ich beim Tippen am Computer Sweatshirts und italienische Hemden trage, das habe ich schon häufiger erwähnt.

Italienische Hemden haben nicht nur Freunde, die Größen stimmen selten. Für viele sind sie zu klein, italienische Konfektionsgrößen haben wenig mit der europäischen Norm zu tun. Vor allem die schmalen Manschetten werden beklagt. Rolex Besitzer kriegen ihre Uhr nicht unter die Manschette. Deshalb hat der Fiat Boss Agnelli seine Uhren immer über der Manschette getragen. Was ihm viele Italiener nachgemacht haben. Für andere sind italienische Hemden die ultima ratio des Oberhemds, das klingt dann in der Werbung eines Händlers so: Beim Herrenausstatter Michael Jondral finden Sie nicht nur ein perfekt passendes Business Hemd von namhaften sartorialen Häusern wie Finamore oder Cesare Attolini. Sie tauchen vielmehr in die Welt von neapolitanischer Raffinesse ein. Es gibt nämlich Männer Hemden und dann gibt es wiederum Herren Hemden, falls Sie verstehen was wir meinen

Michael Jondral hat in Hannover Heinrich Zaple beerbt. Der kommt in diesem Blog schon in dem Post Opernhaus Hannover vor, wo ich schrieb: Modisch gesehen bot Hannover damals noch nicht viel, Heinrich’s, H.B. Möller und Michael Jondral gab es noch nicht. Ich mochte Terner, wohin ich manchmal meine Mutter auf ihren modischen Beutezügen begleitete, die hatten früher immer gute Belvest und Isaia Jacketts. Heute haben sie nur noch Canali, alle anderen Marken scheinen in dem kleinen Klamottentempel von Jondral versammelt zu sein. Als ich an der Herresoffiziersschule Hannover war und diese Uniform trug, gab es noch keine italienischen Hemden auf dem Markt. Dass die Münchener Firma Konen eine Linie Atelier Torino hat und dass der Namensgeber für viele C&A Produkte mal ein berühmter italienischer Designer war, das lassen wir mal draußen vor.

Der erste Italiener bei uns im Ort hieß Chiamulera, aber der handelte nicht mit Hemden, der verkaufte Speiseeis. Ich habe erst viel später erfahren, dass die Chiamuleras nicht zu den Italienern gehörten, die in den fünfziger Jahren in die BRD kamen, die Familie war schon seit den Kaiserszeiten in Bremen. In den fünfziger Jahren kamen Hemden aus Bielefeld, immer weiß und von der Hausfrau liebevoll gestärkt. Und als Sahnehäubchen obendrauf gab es im Angebot van Laack und eine Firma, die Création Otto Hoffmann Paris hieß. Die kam allerdings nicht aus Paris, sondern aus Recklinghausen. Mein Otto Hoffmann Hemd, dass ich bei Carl Tiefenthal am Neuen Wall in Hamburg gekauft habe, habe ich schon in dem Post Hathaway erwähnt.

Für ihre Auswahl an Hemden waren die Bremer Herrenaustatter nicht berühmt, egal, ob sie Hespen, Stiesing oder Kalich hießen. Stiesing in der Sögestraße, 1895 gegründet, war das älteste Haus am Platze. Hespen am Wall gab es seit 1910. Hans Kalich in der Böttcherstraße, der auch eine Dependance auf Juist hatte, war das neueste Geschäft. Kalich war der erste, der im Gegensatz zu den an der englischen Mode orientierten Geschäften Stiesing und Hespen, konsequent auf Italiener setzte (Charlie Hespen hatte aber auch interessante Dänen im Angebot). Italienische Hemden fand man bei Kalich allerdings auch nicht. Aber die Zeit wird kommen.

Wenn man dem Einerlei der weißen Hemden entkommen wollte, dann gab es in Bremen eine Adresse. Das war Hugo Nolte in der Sögestraße 58, gegenüber von Stiesing. Das 1890 gegründete Geschäft bezog seine Hemden aus Bielefeld und von Daniel Schagen in Aachen, aber alle Hemden trugen nur das Etikett von Hugo Nolte mit den verschlungenen Buchstaben H und N und der Jahreszahl 1890. Das Schöne war, dass es nicht nur weiße Hemden gab. Es gab auch gestreifte Hemden, Hemden mit rundem Kragen und Tab- oder Piccadilly Kragen, das Angebot war unglaublich. Ein weißes Hemd mit dünnen blauen und schwarzen Streifen (und rundem Kragen) war jahrelang mein Lieblingshemd.

Sie fragen sich, wo die italienischen Hemden bleiben. Keine Sorge, die kommen noch. Doch viele italienische Firmen, die heute berühmt sind, gibt es 1960 noch nicht. Wenige sind so alt wie Truzzi (1890), Lorenzini (1920), Finamore (1925) oder Rubinacci (1932). Borrelli wurde 1957 gegründet, Poggianti 1958, Fray 1962. Etro tritt erst 1968 in Erscheinung, doch da hatten sie aber noch keine Hemden im Programm. Bagutta ist seit 1975 auf dem Markt, aber die Mutterfirma Confezioni Italiane Tessili (die auch erstklassige Hemden für andere Firmen herstellt) gibt es seit 1939. Wenn ich das Jahr 1960 nenne, dann hat das seinen Grund. In Christian Francks Die Bekleidungsindustrie in der EWG können wir lesen, dass die Hemdenproduktion Italiens von 1957 bis 1960 um 64 Prozent gestiegen ist (die der hergestellten Anzüge sogar um 300 Prozent). Jetzt kommen die Italiener wirklich.

Was erst einmal zu uns kam, waren Hemden mit diesem Kragen mit den tiefgezogenen langen Schenkeln. So etwas, was Marcello Mastroianni hier trägt. Die wurden als italienische Hemden verkauft, obgleich sie häufig gar nicht aus Italien kamen. Was man jetzt verkaufen kann, ist der italienische Stil, für den der gran bell’uomoMastroianni ein Symbol ist. In den Sechzigern wurde ‚Made in Italy‘ zum Gütesiegel in Mode und Design. Vespa, Cinquecento, Entwürfe von Pucci und Ferragamo – Marcello, der unfreiwillige Latin Loverist bis heute das Gesicht dazu, schrieb Anne Goebel 2018 in der Süddeutschen

Die italienischen Firmen brauchen keine Werbung zu machen, das machen andere für sie: die Filmindustrie. Der Begriff Hollywood on the Tiber ist in diesen Tagen gepägt worden. Hier sehen wir Marlon Brando mit Guglielmo Battistoni, der 1946 in Rom sein Geschäft für Oberhemden und Seidenpyjamas eröffnet hat. Bei Battistoni kaufen in jenen Tagen auch Vittorio de Sica, Marc Chagall, John Steinbeck, Cole Porter, Humphrey Bogart (der Lauren Bacall mitbrachte), Kirk Douglas und Gianni Agnelli. Das Geschäft ist nicht nur der Treffpunkt für den internationalen Jetset, es wird auch der Lieblingsladen des Herzogs von Windsor. Lesen Sie mehr zu diesem Kapitel der italienischen Modegeschichte in dem ausführlichen Post Cinecittà und die Mode. Die fünfziger Jahre sind die große Zeit der italienischen Mode, das wird nicht so bleiben. Dass aber, wie heute, die Chinesen die Konfektionsindustrie der Toskana beherrschen, auf die Idee wäre niemand gekommen. Da hat das Made in Italy eine völlig neue Bedeutung bekommen.

Ich muss noch einmal auf die Ikone des stile italiano Mastroianni zurückkommen. Der Herr links auf den Photo ist Bruno Piatelli, der Mastroiannis Anzüge für beinahe alle seine Filme gemacht hat. Den Neopren Anzug, den Mastroianni in La Dolce Vita unter seinem Anzug trägt, weil ihm das Wasser im Trevi Trunnen zu kalt ist, den hat Piatelli allerdings nicht gemacht. Anita Ekberg trägt in der ✺Szene nur Anita Ekberg unter ihrem Kleid.

Dies ist der erste Post zu dem Thema italienische Hemden, es werden noch andere folgen. 1930 hatte Benito Mussolini erklärt, dass es einen italienischen Einrichtungs-, Dekorations- und Kleidungsstil noch nicht gebe, aber es könne ihn geben, also müsse er jetzt entstehen. Ich weiß nicht, wie er sich den stile italiano vorgestellt hat. Seine Uniformen und schlechtsitzenden Anzüge können es wohl nicht gewesen sein. Mussolini hat Ermenegildo Zegna zum Grafen gemacht, weil er ein vorbildlicher Unternehmer war, dem seine Arbeiter am Herzen lagen. Die Zegnas waren damals Weber, Herrenoberbekleidung stellten sie noch nicht her. Wenn sie 1968 diese Bühne betreten, nennt man sie Designer. Das bedeutet nicht, dass sie Hemden nähen können, die macht ein anderer für sie. Der Kunde glaubt, dass der Name des Designers für Qualität steht, aber das ist ein Irrglaube. Das kleine Etikett Made in Italy bedeutet nicht immer, dass das Produkt von hervorragender Qualität ist.