Beau Brummell
Obgleich Lord Alvanley, Scrope Davies und der Comte d’Orsay in ihrer Zeit auch berühmte Dandies waren, niemand hat einen solchen Einfluss gehabt wie George Bryan Brummell, den man Beau Brummell nannte. Der Begriff Dandy war noch nicht allgemein in Gebrauch, man nannte die jungen Gentlemen, die sich durch ihre Kleidung und Konversation hervortaten, noch Swells, Bucks,Macaronis oder Beaux. Die Franzosen hatten diese Spezies Mensch vorher Incroyables genannt. Wir sind jetzt in der Welt des schönen Scheins, und die Regency Dandies scheinen uns bis heute zu faszinieren. his ghost walks among us still, hatte Virginia Woolf über Brummell geschrieben. Es gibt eine Vielzahl von Dandy Blogs im Internet, die Literatur zum Dandy ist seit Barbey d’Aurevilly und Charles Baudelaire ins Unüberschaubare angeschwollen. Und der Begriff wird inzwischen schon etwas inflationär. Vor allem, wenn man im Internet für 9,99€ eine 30-seitige Seminararbeit Der Dandy bei d’Aurevilly und Baudelaire, geschrieben an der Universität Lüneburg, kaufen kann. Das Seminar, in dem diese Arbeit geschrieben wurde, hatte übrigens den Titel Zur Ästhetik der Moderne: Von Wittgenstein zu Warhol und wieder zurück. Muss ich noch meinen Abscheu vor solchen Titeln äußern? Das ist doch schon wieder unfreiwillig komisch. Hier siegt sicherlich der Schein über das Sein. Zur Ästhetik der Moderne: Von Wittgenstein zu Warhol und wieder zurück, ich fasse es nicht.
Eleganz ist diejenige Verhaltensweise, die das höchste Maß von Sein in Scheinen umwandelt, hat Sartre gesagt. Obgleich, das eine gefährliche Sache ist, wenn der Schein das Sein überdeckt. Nicht nur in Lüneburg. Brummell wird das zu seinem Lebensende hin merken. Was für Brummell & Co. noch eine Frage der Eleganz ist, in einem Spiel der one-upmanship, das die englische Aristokratie und die upper class wie angeboren zu beherrschen scheint, wird wenig später mehr. Es wird bei Baudelaire und Barbey d’Aurevilly zu einer Art Philosophie, die le dandyisme heißt. Was wären wir ohne die Franzosen, wenn sie uns nicht zu allem eine Theorie liefern würden? An deren Ende natürlich auch leicht sinnentleertes Geschwafel stehen kann. Aber auch das beherrschen die Franzosen brillant.
Dabei hätten die Engländer, wenn sie eine philosophische Untermauerung des Dandyismus gesucht hätten, ja einen Philosophen in ihrem Lande gehabt, der gerade ein ganzes philosophisches Buch schreibt, in dem ein Schneider schon im Titel vorkommt. Es heißt Sartor Resartus, verfasst von Thomas Carlyle. Über den der große Dandy Max Beerbohm (der in den 1890er Jahren seine wunderbaren Skizzen schrieb, die als Dandies and Dandies erschienen sind) etwas säuerlich sagte: That anyone who dressed so badly as did Thomas Carlyle should have tried to construct a philosophy of clothes has always seemed to me one of the most pathetic things in literature. Allerdings hat kein Geringerer als Whistler, der ein großer Dandy war, Thomas Carlyle portraitiert. Und ein mindestens ebenso großer Dandy wie Whistler, nämlich Marcel Proust, hatte eine Reproduktion dieses Bildes in dem Zimmer, in dem erAuf der Suche nach der verlorenen Zeit schrieb.
Carlyle ist nicht der erste, der sich als Philosoph mit der Mode befasst.An Texten über Mode herrscht kein Mangel. Noch im 19. Jahrhundert in Randgebiete der Philosophie verwiesen, dorthin, wo diese zur Kulturkritik ausfranst oder in Soziologie übergeht, ist sie neuerdings ins Zentrum der Aufmerksamkeit vieler Disziplinen gerückt – mit verwirrendem Effekt: Die Theorien über Mode sind just so bunt geworden wie das Phänomen, das sie beschreiben. Angesichts dieser »Neuen Unübersichtlichkeit« ist deshalb an einen Autor zu erinnern, der schon früh versucht hat, ein ebenso umfassendes wie differenziertes Bild der Mode zu gewinnen. Ich klaue mir dieses schöne Zitat mal eben bei Thomas Pittrof, ich könnte es nicht besser sagen. Pittrof schreibt dies in seiner Einleitung zu einem Buch mit dem TitelÜber die Moden. Das Buch ist allerdings nicht so modern (obgleich es heute immer noch erstaunlich modern ist) wie das Vorwort von Pittrof – es stammt aus dem Jahre 1792. Von dem deutschen Philosophen Christian Garve. Womit natürlich bewiesen ist, dass wir Deutschen bei der Modetheorie ganz klar die Nase vorn hatten.
Wenige Jahre nachdem Brummell einsam und geistig umnachtet in Caen gestorben ist, erblicken zwei Bücher über Brummell das Licht der Welt. Das eine heißt The Life of George Brummell, Esq., commonly called Beau Brummell und ist von einem gewissen Captain Jesse, einem ehemaligen Armeeoffizier. Der in diesem Buch alles zusammengetragen hat, was die Welt damals über Brummell weiß, inklusive aller Briefe Brummells, deren er habhaft werden konnte. Brummells eigene Schriften machen ein Drittel des Buches von Jesse aus. Der Leutnant im 46th Regiment of Foot hatte sich im August 1837 seinen Rang als Captain gekauft, er ist zu dem Zeitpunkt, wie das Titelblatt verrät, unattached. Das heißt, er gehört keiner militärischen Einheit mehr an, er ist jetzt Berufsschriftsteller und schreibt über alle Gegenden der Welt, in die ihn die Army geschickt hatte. Schon als junger Leutnant in Indien hatte er angefangen, alle Berichte über Brummell zu sammeln, die in der Presse erschienen. Er hatte Brummell ein einziges Mal in Frankreich getroffen und sich sofort notiert, dass Brummell einen blue coat with a velvet collar trug. Dazu einen buff waistcoat, black trowsers and boots. Dass Brummell schon die ersten Zeichen einer fortschreitenden Syphilis zeigte, verschweigt er vornehm, die Krankheit wird auch in seiner Biographie nicht erwähnt. Die die reine hero worship ist. So etwas ist gerade en vogue, wenige Jahre zuvor hatte Carlyle (da ist der schlecht gekleidete Philosoph schon wieder) sein On Heroes, Hero-Worship, and The Heroic in History veröffentlicht. Den Anfang der Heldenverehrung Brummells hatte sicherlich Lord Byron mit seinem Satz There are three great men of our age: myself, Napoleon and Beau Brummell. But of we three, the greatest of all is Brummell gemacht.
Ein Jahr später als Jesses Biographie erscheint Du Dandysme et de G. Brummellvon dem französischen Schriftsteller Jules Barbey d’Aurevilly. Es ist 1909 in der Übertragung von Richard Schaukal in deutscher Sprache erschienen (Jay besitzt natürlich eine Erstausgabe). Dieser Richard Schaukal ist in Dandykreisen kein Unbekannter, hatte er doch kurz zuvor das bezaubernde kleine Büchlein voller dandyesker Aphorismen, Leben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser, veröffentlicht. Irgendein Komiker hatte auf der Wikipedia Seite geschrieben, dass Richard von Schaukal 1942 in Wien geköpftwurde. Es hat über ein Jahr gedauert, bis das korrigiert wurde. Das fiel mir wieder ein, als die Zeit vor Wochen einen Lobgesang über Wikipedia anstimmte, man darf nicht alles glauben, was im Internet steht. Barbey d’Aurevilly besitzt nicht die Fakten, die der nüchterne Engländer Captain Jesse zusammengetragen hat. Aber er hat diesen flamboyanten Stil voller Geistreicheleien, den die Franzosen offensichtlich bei der Geburt mitbekommen. Und sein Buch, das auch schon der Anfang einer Theorie des Dandys ist, hat einen großen Einfluss. Auf Baudelaire, auf Huysmans, wen immer man nennen will.
Der Dandy ist für diese Autoren inzwischen mehr geworden, als derRegency Buck. Gemessen an denen war Brummell überhaupt kein Dandy: Brummell most assuredly was no dandy. He was a beau…His chief aim was to avoid anything marked. Das sagt auch Baudelaire zwanzig Jahre später: Das Dandytum besteht nicht einmal, wie viele gedankenlose Leute zu glauben scheinen, darin, an seiner Toilette und der Eleganz seiner äußeren Erscheinung übermäßigen Gefallen zu finden. Diese Dinge sind für den perfekten Dandy nur Symbol für den überlegenen Adel seines Geistes. In seinen Augen, denen vor allem die Distinktion, das Sich-Abheben, als Ideal vorschwebt, besteht nämlich die Vollkommenheit der Toilette in ihrer unbedingten Schlichtheit, die ja in der Tat die beste Art ist, sich hervorzuheben. Proust wird etwas Ähnliches über seinen Baron de Charlus schreiben. Womit beide mit der Schlichtheit wohl etwas anderes meinten als den Standardanzug des FBI oder den der Mormonen Werber.
Für die Nachfolger von Brummell (die es natürlich in der romantisch ästhetisierenden Philosophie von Barbey d’Aurevilly nicht geben kann: ein Brummell hat keine Nachfolger) hatte Captain Gronow nur Hohn und Spott übrig: Wie unausprechlich widerlich – mit wenigen glänzenden Ausnahmen, wie Alvanley und andere – waren die Dandies der zwanziger Jahre! Sie waren ein Haufen von Hanswürsten, an denen nichts Bemerkenswertes war, als ihre Unverschämtheit…Offensichtlich ist der Dandyismus schon zu einem mythischen Konzept geworden. Da reicht es nicht mehr aus, elegante Klamotten zu haben und arrogant zu sein.
Das Dandytum tritt besonders in den Übergangsperioden auf, in denen die Demokratie noch nicht allmächtig, die Aristokratie erst teilweise wankend geworden und diskreditiert ist. In den Wirren solcher Zeitläufte kann es geschehen, daß einige Männer, die deklassiert, angeekelt und zur Untätigkeit verurteilt, aber voller angeborener Kraft, auf den Gedanken kommen, eine neue Art von Adel zu gründen zu bilden, der um so schwieriger zu zerstören ist, als er auf den kostbaren, absolut unverwüstlichen Fähigkeiten gegründet ist, Göttergaben, die weder die Arbeit noch das Geld verleihen können. Das Dandytum ist das letzte Aufflammen von Heroismus in einer Zeit des Niedergangs, schreibt Charles Baudelaire in Le peintre de la vie moderne über den Maler Constantin Guys. Er schreibt in diesem Schlüsseldokument des Dandyismus über keinen anderen als sich selbst, deklassiert, angeekelt und zur Untätigkeit verurteilt. Er hat gerade das väterliche Erbe verjubelt, nun ist er mit einer kleinen Monatsrente unter Kuratel gestellt. Der Dandyismus als Ausflucht des Dichters, so wie er im Albatros dichtet: Der dichter ist wie jener fürst der wolke – /Er haust im sturm – er lacht dem bogenstrang /Doch hindern drunten zwischen frechem volke/ Die riesenhaften flügel ihn am gang.
Selbst wenn er nicht mehr die finanziellen Mittel hat, den Dandy in der großen Welt zu spielen, inszeniert sich Baudelaire, der neue Adelige mit seinen Göttergaben, jetzt als Dandy in der Boheme. Und dem armen Beau Brummel, nachdem er seinen Posten als englischer Konsul verloren hat, bleibt auch nur das sich Klammern an seinen unfehlbaren Stil. Und er hat jetzt einen Schirm, einen braunen Schirm (wie mein erster Schirm). Dessen Griff ziert eine Büste des Monarchen, der einmal sein Freund war. Das Abbild als Schirmgriff ist künstlerisch nicht so recht gelungen. It was not flattering, notiert Captain Jesse,and perhaps the more prized by Brummell on that account. Wenn es auch nie zu dem rührenden Zusammentreffen, wie es Stewart Granger und Peter Ustinov in dem Brummell Film spielen, gekommen ist – wenn Brummell seinen Schirm in die Hand nimmt, hat er George IV immer noch in der Hand.
Lord Byron hat einmal gesagt, dass die drei bedeutendsten Männer seiner Zeit (die alle mit dem Buchstaben B beginnen), Bonaparte, Brummell und Byron seien. Aber selbstverständlich sei Brummell der bedeutendste von den dreien. Ian Kelly hat den Mann, der bedeutender als Byron und Bonaparte ist, mit dieser Biographie einmal wieder aus der Vergessenheit geholt. Nicht dass es Brummell an Biographen gefehlt hätte, Captain William Jesse schreibt 1844 die erste. Und in den Erinnerungen seiner Zeitgenossen spielt der Dandy eine prominente Rolle. So zum Beispiel bei der amüsantesten Plaudertasche dieser Zeit, dem Captain Rees-Howell Gronow. Der sich vom Herzog von Wellington wegen seiner dandyesken Eskapaden tadeln lassen musste. Der Herzog, selbst ein großer Dandy, kann die ganzen Brummell Imitationen, die jetzt in seiner Armee auftauchen, nicht so recht ausstehen. Womit wir schon bei dem Einfluß wären, den Brummel auf die Herrenmode (und das bis zum heutigen Tag) hat. Aber es gibt noch einen anderen, bedeutenderen, Einfluß. Spätestens seit Baudelaire wissen wir, dass der Dandyismus zu einem ästhetischen Konzept geworden ist. Und die ganze Literatur des 19. Jahrhunderts beeinflußt: Byrons „Don Juan“, Stendhals „Le rouge et le noir“, Joris-Karl Huymans „A rebours“, Oscar Wildes „The picture of Dorian Gray“. Dieses Weiterwirken interessiert Ian Kelly nicht so sehr (obgleich er im Epilog darauf eingeht). Ihn interessiert der Mann George Bryan Brummell, den seine Epoche „Beau“ nennt. Und hier hat der Autor seine Hausarbeiten gemacht, er hat alles über Brummell gelesen. Und ein Quellenstudium betrieben. Sogar die Geschäftsakten der Firma James Lock & Co (dem berühmten Hutmacher) eingesehen. Und das Notizbuch von Brummells Schneider. Und das alles wird dem Leser elegant und flott serviert. Die Geschichte des Mannes, der die Londoner Society beherrscht und der im Asyl „Bon Saveur“ in Caen endet, wird wieder einmal erzählt. Aber exzellent und gut lesbar erzählt
Cliff Roberts, Artisan
Das englische Wort artisan heißt Handwerker, es kommt aus dem Lateinischen und das art von Kunst und Künstler steckt in dem Wort. Ich habe das Wort bewusst gewählt, denn wenn ich Cliff Roberts,shoemaker geschrieben hätte (oder cordwainer oder cobbler), hätte das es nicht getroffen. Andere nehmen das Wort artisan, weil sie es für den Reim brauchen. So Hilaire Belloc in dem wunderbar bescheuerten Knittelvers
Cliff Roberts hat dreißig Jahre für eine Firma in Northampton gearbeitet. Den Namen gibt er aus Diskretion nicht preis, man vermutet, dass es Edward Green war, die noch schöne Leisten aus den Zwanziger Jahren haben. Mit seinen Preisen für einen handgearbeiteten Schuh unterbietet er die Londoner Konkurrenz wie zum Beispiel W.S. Foster & Son um die Hälfte (viele der berühmten Firmen der Jermyn Street wie Codner, Coombs & Dobbie, Maxwell oder Peale sind ja verschwunden oder existieren nur noch dem Namen nach). Und dennoch scheint seine Rechnung aufzugehen; nachdem er durch das Internet bekannt wurde, kann er sich vor Aufträgen nicht mehr retten. Seine Frau photographiert den im Entstehen begriffenen Schuh in jedem Zustand und so kann der Kunde per Email Attachment an der Kreation des Kunstwerkes teilhaben. Hier entwickeln sich dank des Internet völlig neue Produktions- und Handelsformen. Die sich doch ein wenig von den in China zusammengeklebten Schuhen unterscheiden. Und auch etwas mehr kosten, als die zwei Euro, die ein chinesischer Schuh im Durchschnitt in der Herstellung kostet. There is nothing in the world that some man cannot make a little worse and sell a little cheaper, and he who considers price only is that man’s lawful prey hat John Ruskin gesagt. Dem viktorianischen Kunstkritiker, der die traditionelle Handwerkskunst im Industriezeitalter retten wollte, würde das Konzept von Cliff Roberts gefallen haben.
„The London Look: Fashion from Street to Catwalk“ ist der Katalog zu einer Ausstellung, die vom Museum of London 2004 bis 2005 gezeigt wurde. In acht Kapitel wird der Aufstieg der Modemetropole London seit der Regency Epoche gezeigt. Es wird nicht nur die Herrenmode behandelt, die man immer mit London assoziiert, auch die Damenmode kommt in diesem Band zu ihrem Recht. Und das wird auch reichhaltig illustriert, 20 Schwarzweiß Photos und über einhundert farbige Illustrationen zieren das Buch. Das ist, zugegeben, alles hübsch gemacht. Für jemanden, der sich in dies Thema einlesen möchte, ist der Band zu empfehlen. Für Modehistoriker, die hier neue Erkenntnisse erwarten, ist er eine Enttäuschung. Inhaltlich reicht er nicht annähernd an die Bücher von Anne Hollander oder an Farid Chenounes „A History of Men’s Fashion“ heran. Dies ist im Einklang mit einer Tendenz, die man leider bei den Katalogen der Yale University Press in den letzten Jahren beobachten muß. Es werden mehr und mehr bunte Feelgood Kataloge, der Inhalt bleibt ein wenig auf der Strecke.
John Harvey von der Universität Cambridge hatte zuvor ein Buch über viktorianische Buchillustrationen geschrieben, und vielleicht liegt hier die Keimzelle seiner Kulturgeschichte der schwarzen Kleidung. Denn das respektable Schwarz ist die Farbe, die wir mit den Viktorianern verbinden. Hat Viktoria nach dem Tod von Albert etwas anderes getragen? Und so scheint es nur logisch, wenn das erste Kapitel („Whose Funeral?“) mit den Viktorianern beginnt. Aber natürlich geht Harvey in der Geschichte, der Kunst und der Literatur weiter zurück. Shakespeares Hamlet trägt schwarz, es ist die Farbe der Trauer, aber es ist auch die Farbe der Gelehrten. Quentin Tarantinos Helden tragen auch schwarz, was bedeutet es jetzt? Dieses ist die beste Kulturgeschichte (und Modegeschichte) der Farbe Schwarz. Vorzüglich illustriert, von Delacroix‘ Porträt des Barons Schwiter bis zu Bela Lugosis Dracula und Mussolinis Leibwache. Es gibt kein besseres und geistreicheres Buch zu dem Thema als dieses. Die Freunde einer Organisation namens Men in Black, die extraterrestrische Wesen jagt, seien darauf hingewiesen, dass Tommy Lee Jones und Will Smith in diesem Buch nicht vorkommen. Linda Fiorentino leider auch nicht. Aber in diesem Fall kann man das einmal verschmerzen.
Ärmelknöpfe
Dies ist die zweite (und erweiterte) Auflage des Buches von 1986. Es ist in der „Reihe Deutsche Vergangenheit Stätten der Geschichte Berlins“ als Band 14 erschienen, und es ist nicht der unwichtigste Band in dieser Reihe. Uwe Westphal zeigt den Aufstieg der Berliner Modehäuser seit dem 19. Jahrhundert und ihre Zerschlagung durch die Nationalsozialisten mit einer Vielzahl von Abbildungen und Dokumenten auf. Obgleich die Berliner Mode in den fünfziger Jahren noch einmal versuchte (mit Couturiers wie Detlef Albers, Heinz Schulze-Varell und Gerd Staebe) an die große Zeit anzuknüpfen, blieb Berlin Modeprovinz. Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, dass Berlin auf dem Gebiet der Damenmode einmal mit Paris mithalten konnte. Aber dies Buch ist kein Bilderbuch der Nostalgie einer großen Zeit. Dies ist das Buch eines kritischen Historikers, der schonungslos die so genannte „Arisierung“ der großen jüdischen Modegeschäft beschreibt. Und der Autor scheut sich auch nicht, die Namen dieser arischen Kriminellen zu nennen. Von denen viele wieder in den fünfziger Jahren (wie von Eelking oder Tübke) einflussreiche Positionen in der deutschen Konfektionsindustrie besaßen. Aber es ist auch eine Geschichte von vielen kleinen und großen (wie z.B. Wilfried Israel) Helden, jüdische Firmenbesitzer, die ihren Angestellten die Emigration und ein neues Leben in England ermöglichen. Während andere die Roben für die Gattinnen von Goering und Goebbels schneidern. Dieses Buch spiegelt unsere deutsche Tragik im so genannten Dritten Reich wieder. Es geht um die große Mode und um die Konkurrenz zu Paris, aber es geht noch mehr um Ausbeutung und Vernichtung. Hier wird die Vergangenheit lebendig, mit jedem untergegangenen Firmennamen. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass gleichzeitig mit diesem hervorragenden Buch ein Buch von Gloria Sultano „Wie geistiges Kokain. Mode unterm Hakenkreuz“ erschienen ist, das ähnliche Fragestellungen verfolgt, sich aber auf Wien konzentriert.
Es ist schön zu sehen, dass das witzigste und gleichzeitig geistreichste Buch über die englische Klassengesellschaft nach 30 Jahren immer noch lieferbar ist. Es zeigt vielleicht auch, dass sich am englischen Klassensystem in den letzten 30 Jahren wenig geändert hat. Jilly Cooper ist das Beste gewesen, was der „Observer“ jahrelang zu bieten hatte, bevor sie sich auf das Schreiben von Blockbuster Liebesromanen verlegte. Die natürlich nicht die typischen Rosamunde Pilcher Liebesromane, sondern die typischen Jilly Cooper Liebesromane sind: frech, bösartig, geistvoll. Wie „Class“. Abgesehen davon, dass dieses Buch frech und witzig ist (und in den ersten zehn Jahren seines Erscheinens jedes Jahr neu aufgelegt wurde), ist es eigentlich eine ernstzunehmende soziologische Untersuchung der Engländer. Von John Majors Diktum, dass England eine „classless society“ sei, ist außer Gelächter wenig übrig geblieben. Jilly Cooper nimmt sich für jede Gesellschaftsschichte eine Musterfamilie mit sprechendem Namen, von Mr Definitely-Disgusting (working class) bis Harry Stow-Crat (natürlich ein Aristocrat) und verfolgt diese Familien von der Geburt bis zum Tod. Mit allen Sitten und Gebräuchen, Spleens und Überzeugungen. Das ist schreiend komisch und zugleich lebensecht. Man mag mit einem moralischen Unterton, wie es P.N. Furbank in „Unholy Pleasure, or The Idea of Social Class“ tut, dieses etwas perverse englische Insistieren auf Klassenzugehörigkeiten bedauern, aber man wird die Tatsache nicht leugnen können. Dieses Buch hilft einem, die Engländer zu verstehen. Für Anglistikstudenten sollte man es auf die Liste der Pflichtlektüre setzen. Für ihre Dozenten vielleicht auch.
Es gibt kein besseres Lexikon der Mode in deutscher Sprache, als das von Ingrid Loschek! Es enthält nicht nur einen 400-seitigen Lexikonteil, sondern auch gleich am Anfang eine kurze Geschichte der Mode durch die Jahrhunderte. Weiterhin gibt es am Ende ein Verzeichnis der wichtigsten Modeschöpfer und weiterführende Literatur. Und dazwischen alles von Aba (dem Hauptobergewand der Araber) bis Zylinder. Zweitausend Sachartikel mit ausgesucht guten Illustrationen, Kulturgeschichte und textiles Nachschlagewerk in einem. Bügelfalte, Büstenhalter, Schillerkragen und Halbstarkenmode, kein modischer Fachbegriff (und keine Verirrung der Mode) entgeht der Autorin. Es gibt viele Bücher über Mode, aber kaum eines ist mit solcher Sachkenntnis geschrieben. Deutschlands wichtigster Beitrag zur Herrenmode, der scheußliche Kleppermantel, ist natürlich auch drin.