Als ich im letzten Jahr diese kleinen Portraits englischer Schuhfirmen schrieb, stellte ich in Aussicht, dass da noch mehr kommen würde. Aber dann schrieb ich erst einmal über italienische, portugiesische und französische Schuhe. Ich komme noch einmal zu den Engländern zurück (ich könnte natürlich auch noch über spanische Schuhe schreiben, aber bis das soweit ist, lesen Sie doch den Post ➱Kuckelkorn). Ich habe mir heute einmal die vor 150 Jahren gegründete Firma Grenson herausgepickt, die in der Vergangenheit ihren einstigen Ruhm arg beschädigt hat. Aber da tut sich heute einiges. Dies hier ist kein Schuh von Grenson, das ist ein Alfred Sargent, Modell Blenheim. Den habe ich mir inzwischen gegönnt. Qualitativ erstklassig, das Modell mit dem Namen von Churchills Geburtsort ist qualitativ auf dem Niveau von Edward Green.

Dieser Schuh ist nicht ganz auf dem Niveau von Edward Green, obgleich er einem Edward Green (oder einem Gaziano & Girling) sehr ähnlich ist. Er entstammt einer neuen Kollektion der Firma Grenson, hat den Modellnamen Kent. Wenn man etwas verkaufen will, dann muss das offensichtlich einen wohlklingenden englische Namen haben: Blenheim (sogar Loake hat ein Modell dieses Namens im Angebot), Kent, Westminster (gibt es bei Crockett & Jones) und wie sie alle heißen.

Wenn man dagegen seine Luxuslinie mit Totenköpfen verziert, wie Barker das tut, dann hat man ein Problem. Dann braucht man einen Imageberater, der den Chefs erzählt, dass man mit solchen Albernheiten nicht lange da oben bleibt, wo die Luft dünn ist. Und dünner wird. Jemand wie ➱Tim Little hätte ihnen helfen können, aber der Mann ist schon ausgelastet. Zum einen hat er eine eigene Schuhmarke und einen Laden in Chelsea (wo sonst?), zum anderen hat er gerade die Firma Grenson gekauft.

Bevor er sich der Welt der Schuhe zuwandte, hat er Firmen wie Dunhill, Tods und Gieves and Hawkes (und andere) beraten und ihnen geraten, sich neu zu erfinden. Er hat auch Adidas beraten und ihnen empfohlen, von dem Adi Dassler Image wegzukommen und stromlinienförmig wie Nike zu werden. Er hat damit eine Menge Geld verdient, so dass es für den Kauf einer Schuhfabrik in ➱Rushden (wo auch ➱Alfred Sargent beheimatet ist) reichte. Auf der Seite der British Footwear Association finden sich die Sätze:

Grenson was born in 1866 in Rushden, Northamptonshire. William Green, the founder, started making high quality shoes for London Gentlemen and was so successful that he soon had to build a factory and the company grew from there. Recently Grenson has undergone a new lease of life, helped by their focus on quality and modern design whilst never losing sight of their impressive heritage. Das mit dem  focus on quality and modern design war auch dringend nötig. Denn, seien wir ehrlich, die Masse dessen, was Grenson produzierte, war einfach nur scheußlich.

Obgleich sie auch immer hochqualitative Schuhe herstellten, wie zum Beispiel die Linie Grenson Masterpiece. Dr Sevan Minasian hat auf seinen hervorragenden Seiten ➱Classic Shoes for Men eine Menge Nettes über ➱Grenson zu sagen. Wenn ich ehrlich bin, kann ich auch nichts Böses über die Firma sagen. Außer dem schönen braunen Modell Kent da oben habe ich nur einen Grenson Schuh, der allerdings den Namen Charles Tyrwhitt hat. Und der solide englische Qualitätsarbeit ist, er sieht nach zwanzig Jahren immer noch gut aus.

Das bringt mich mal eben zu einem kleinen Exkurs über die Firma Tyrwhitt, bei der das Angebot von wirklich englischen Schuhe in den letzten Jahren arg geschrumpft ist. Wenn man im Katalog genau hinschaut, sind es nur noch ein halbes Dutzend Schuhe, die aus Northampton kommen. Die haben alle diesen Absatz (oder einen Alan McAfee Absatz) und kosten 299 statt 600 Euro. Das sind natürlich reine Phantasiepreise, nennt sich MSRP. Glaubt wirklich irgendjemand, dass der ursprüngliche Listenpreis 600 Euro war? Bei Tyrwhitt gibt es nur durchgestrichene Preise.

Die Frage bleibt, wer stellt diese Schuhe her? Es ist eine Frage, die im Internet zahllose Foren beschäftigt. Ein Name, der (neben Barker, Cheaney und Sanders) immer wieder genannt wird, ist Loake. Doch die Firma Loake hat vor geraumer Zeit erklärt, dass man nur sehr wenige Modelle an Tyrwhitt liefere:

Loake has made shoes for Charles Tyrwhitt for some time and that has been common knowledge for some time. However, we now make only a handful of styles for them. Most of the shoes that Charles Tyrwhitt offer currently are NOT made by Loake and therefore the sweeping statement that Charles Tyrwhitt shoes are made by Loake is absolutely not correct. The four (only) styles that we now supply are basic black polished business shoes and they are roughly comparable to the Loake L1 collection. Because we have no first-hand knowledge of the other styles offered by Charles Tyrwhitt we cannot comment on where they sit in relation to other Loake collections.

Loake Schuhe kommen aus England, aber nicht alle. Vieles kommt auch aus Portugal. In seltener Freimütigkeit hat sich Andrew Loake (Bild) ➱hier zum Thema ➱Made in England geäußert. Das beginnt mit der Feststellung: Approximately 99% of all footwear sold in the UK is now sourced from overseas but it is interesting to note that, within the EU, there is currently no legal requirement to label goods with their country of origin. Consequently, most brands (including many “English” brands) do not mark their products with the country of origin.

Und endet mit den Sätzen: Anyone who makes anything in England will certainly want their customers to know where it’s made, so it will usually be labeled accordingly. I suppose the ‘rule of thumb’ should probably be: “if it doesn’t say on it that it’s made in England, you can probably assume that it isn’t”. Das gilt auch für Grenson, nicht für mein Modell Kent hier, der wurde in Northampton gefertigt und ist in der Grenson Nomenklatur G:One (darüber gibt es noch G:Zero). G:One ist auch die Qualität, die Grenson an Kunden wie Paul Stuart und Barbour liefert.

Aber die Linie G:Two, die kommt aus Indien. Grenson gibt das wenigstens zu: In order to make our shoes accessible to people who want to wear them, but don’t feel the need for the incredibly high levels of specification in G:ZERO and G:ONE, we developed the G:TWO spec. Designed by us in our studio, lasts developed in Northamptonshire by us, patterns developed by our pattern makers, leathers sourced by our leather buyer, prototypes made in our factory to final sign off and then taken to our partner, a beautiful handmade factory in India, where they are made and shipped back to us for inspection and final polishing where required. These shoes represent the most incredible value for money, every bit a Grenson shoe, at a price that doesn’t require a mortgage. 

Die Schnürbänder für alle Grenson Schuhe kommen aus Europa: Laces are all made in Europe as UK suppliers are sadly not available to our quality. Das gibt zu denken: die Engländer können keine Schnürbänder herstellen! Ich kaufe meine immer bei Langer & Messmer, die haben gute Schnürbänder im Angebot. Mein Freund Peter hat vor vielen Jahren einmal Schnürbänder bei John Lobb gekauft, er wollte einmal in dem Laden gewesen sein. Diese Grenson Anzeige ist schon etwas älter, aber wenn Sie einmal bei ebay den Namen Grenson eingeben, werden Sie viele Schuhe finden, die noch so oder so ähnlich aussehen.

Die Firma Grenson war länger als ein Jahrhundert im Besitz der Familie Green. Man gab sich nicht sehr auskunftfreudig nach außen hin, aber nach innen hin besaß man eine funktionierende Familienstruktur. Dieses patriachalische Modell, das viele englische Firmen, die zur Zeit von Königin Victoria gegründet wurden, groß und stark gemacht hat. Die hier ist die Cricketmannschaft von Grenson im Jahre 1947. Wenn Sie mehr über das englische Nationalspiel wissen wollen, dann klicken Sie doch mal den Post ➱Cricket an, haben schon mehr als 10.000 Leser getan.

In den frühen achtziger Jahren verkaufte die Familie Green die Schuhfabrik an Terry Purslow, der sie später an seinen Sohn Christian weitergab. Den Sohn kennt man besser als Managing Director von Liverpool, jetzt ist er bei Chelsea. Da gehört er hin. Gary Neville hat ihn mal a clueless fool genannt. Die Purslows sind ein Produkt der Thatcher Jahre, sie hatten keinerlei Ahnung von der Schuhherstellung, ihnen ging es nur darum, Geld zu machen. In den neunziger Jahren haben sie sogar die Firma ➱Herbert Johnson gekauft. Das hat vielen wehgetan. Es kommt jetzt, wie es kommen muss: es geht bergab mit Grenson. 1999 verkauft man 63 Millionen Paar Schuhe, fünf Jahre später sind es nur noch 14 Millionen. Da holte man Tim Little als Retter an Bord.

Der sofort erkennt: much of English shoe manufacturing is stuck on an old-fashioned, stuffy presentation, banging on about quality and nothing else. They understand manufacturing but not the market, because they have grown out of a time when that wasn’t required – not marketing in the sense of putting an average product in a fancy box but making the product fit the market. Als erstes wirft Little (der auch nichts gegen die Produktion von ➱Damenschuhen hat) die Mocassins aus dem Programm: And as far as I was concerned, the moccasin was dead from day one. Das lieben die Händler nun überhaupt nicht: They were telling me I was taking Grenson to the dogs – they felt like they had ownership of the brand. I felt like I was taking over a football club, given the reaction I got. 

Im Gegensatz zu den Vorbesitzern Terry und Christian Purslow, liebt Tim Little das Produkt, das er herstellt (hier im Bild ein Grenson G:0 Schuh): English shoes are among the best in the world, and it is a craft that is in danger of being lost… It’s all about having a product that’s relevant. English shoe manufacturers need to understand design and most don’t even have a designer. It’s just bizarre. I hope Grenson might be an example of the need to have someone who understands design and marketing. That doesn’t mean making wacky or weird shoes. It does mean realising that, although English shoes may be fashionable at the moment, that is not a trend these companies will be able to ride for long.

Die renommierten englischen Schuhfirmen liefern nur eine Qualität (vielleicht mit einer hand grade Qualität oben drauf, wie bei Crockett & Jones), sie haben keine Schuhfabriken in Indien. Die Grenson natürlich mit Made in India kennzeichnen muss. Allerdings bekommen diese kleinen Klebezettel – das haben Kunden beobachtet – sehr wenig Klebstoff. Sie sind schon abgefallen, wenn der Kunde den Schuh aus dem Karton auspackt. Da kann man sich dann nur an die Regel halten, die Andrew Loake formuliert hat: I suppose the ‘rule of thumb’ should probably be: “if it doesn’t say on it that it’s made in England, you can probably assume that it isn’t”.

Stellen Sie sich eine Löwengrube zur Zeit des Königs Franz I vor, wahrscheinlich irgend so etwas wie die Arena in Trier. Voll mit Löwen, Tigern und Leoparden, diese Strophen aus Schillers ➱Gedicht Der Handschuh lasse ich einmal weg. Wir gehen direkt in die Handlung:
Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges spottender Weis‘,
Wendet sich Fräulein Kunigund:
„Herr Ritter, ist Eure Lieb‘ so heiß,
Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf.“

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen’s die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,

Aber mit zärtlichem Liebesblick –
Er verheißt ihm sein nahes Glück –
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
„Den Dank, Dame, begehr ich nicht!“
Und verläßt sie zur selben Stunde.


Recht so, würden wir sagen. Auch wir machen um die Kunigundes dieser Welt, die ihre Handschuhe an unpassenden Stellen fallen lassen, einen Bogen. Schiller hat die Geschichte übrigens nicht erfunden, er hat sie in den Essais historiques sur Paris de Monsieur de Saint-Foix gelesen. Der Stoff ist von vielen Dichtern behandelt worden, am stärksten verändert der Engländer Robert Browning die Geschichte, Sie können sein Gedicht hier lesen. Schiller hat sein Gedicht selbst noch einmal verändert. Charlotte von Stein fand das es nicht so fein sei, Damen einen Handschuh ins Gesicht zu werfen, und so ersetzte Schiller den drittletzten Vers durch Und der Ritter, sich tief verbeugend, spricht.

Sie scheinen aus der Mode gekommen zu sein, die Handschuhe. Früher brauchte man sie als Fehdehandschuh, aber das Werfen eines Fehdehandschuhs ist auch aus der Mode gekommen. Den weißen Handschuh zur ➱Abendkleidung trägt auch niemand mehr. Und die Geschichte, dass der Graf von Brockdorff-Rantzau für seine Unterschrift unter den Friedensvertrag von ➱Versailles weiße Handschuhe angezogen hatte, die er danach auf dem Tisch liegen ließ (oder in den Kamin warf), ist wohl auch nicht wahr.

Du ziehst Dir die Handschuhe im Windfang an, nicht auf der Straße, sagte mein Vater. Das waren die fünfziger Jahre, da nahm man die Regeln der Herrenmode noch ernst. Vielleicht nicht mehr so ernst wie die aristokratischen Freunde von Prousts ➱Swann (hier der Comte Julien de Rochechouart auf dem ➱Bild von Tissot). Dass es eine Trennung zwischen Haus und Straße, zwischen Privat und Öffentlichkeit gibt, hat der amerikanische Soziologe Richard Sennett in seinem Buch ➱The Fall of Public Man sehr schön beschrieben. Auch in den sechziger Jahren galt das mit den Handschuhen in gewissen System noch. Also zum Beispiel bei der Bundeswehr. Mein Kommandeur konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn die frischgebackenen Leutnants beim Verlassen des Kasinos die Handschuhe elegant in der Hand trugen.

Meine Handschuhe sind immer gelb, ich liebe gelbe Handschuhe. Natürlich habe ich auch schwarze, für Beerdigungen und solche Gelegenheiten. Und ein Paar wunderbarer brauner Handschuhe aus argentischem Wasserbüffelleder. Ich könnte stundenlang über Handschuhe schreiben, aber heute nicht mehr. Der Monat April mit den Gedichten (in dem es jeden Tag etwas Neues gab) ist vorbei. Irgendwann schreibe ich mal einen langen Post zum Thema Handschuhe. Torwart- und Boxhandschuhe inbegriffen. Einen Post namens ➱Handschuhknopf gab es schon mal, aber der hat wenig mit Handschuhen zu tun. Und Handschuhe wie diese hier, die hat nicht jeder, die hatte nur ➱Glenn Gould.

 

 

Da haben sie wieder einen erwischt, rechts auf dem Bild. Einen Mann mit einem langen Mantel und einem Schlapphut mit breiter Krempe. Lange Mäntel und breitkrempige Hüte waren die Tracht der Männer in Madrid, aber seit dem 10. März 1766 sind der sombrero redondo und die capa larga zu tragen. Die Regierung macht Mode: die Herren sollen den Dreispitz tragen und kurze Mäntel nach französischer Mode. Höchstens bis zum Po.

Der Marqués de Esquilache, ein Italiener, den der spanische König Karl III (der zuvor König von Neapel und Sizilien war) aus Italien mitgebracht hatte, soll das durchsetzen. Weil man in den langen Mänteln Waffen verstecken und unter der breiten Krempe das Gesicht verbergen könne. Wir haben seit dem Jahre 1985 ein Vermummungsverbot, im Madrid des reformerischen Karl III gibt es das schon früher. Aber die Männer in Madrid halten nichts von einer staatlich verordneten Herrenmode, dreizehn Tage nach dem Erlass vom 10. März bricht der Madrider Hutaufstand los.

Es ist ein unblutiger Aufstand. Der König flieht erst einmal sicherheitshalber nach Aranjuez und überlässt die Regierung dem Grafen Pedro Pablo Aranda. Der Marqués de Esquilache wird entlassen und verlässt das Land. Und die Jesuiten beruhigen die Bevölkerung, Goya hat das hier gemalt. Als der Graf Pedro Pablo Aranda seine Landsleute daran erinnert, das ihre geliebte Tracht eigentlich vor vielen Jahren die Tracht der Henkersknechte gewesen sei, da ziehen die Herren plötzlich ganz schnell das kurze Mäntelchen an und setzen den Dreispitz auf.

Obgleich die Jesuiten die Sache beruhigt haben, verdächtigt man sie jetzt, dass sie hinter dem Ganzen steckten. Die Jesuiten sind im Zweifelsfall immer schuld. Oder die Juden oder die ➱Freimaurer, es ist immer gut, wenn man einen Sündenbock hat. Der Hutaufstand führt auch zur Aufhebung des Jesuitenordens in Spanien, Portugal und Frankreich. Dies hier ist der Minister Marquis von Pombal, der die Jesuiten aus Portugal vertrieben hat und jetzt mit einer Pose der grandezza auf die Schiffe zeigt, mit denen sie das Land verlassen. Ein wunderbares Bild.

Heute trägt ja kaum noch jemand einen Hut. Dabei sehen Hüte gut aus, wie man hier am Beispiel von Alain Delon sehen kann. Ich hatte immer Hüte. Zuerst kamen die aus England, aber vor fünfzehn Jahren habe ich für einen Fuffi ein halbes Dutzend Italiener gekauft. Drei Borsalino Hüte, einer von Vanzina und zwei von Panizza. Die Marke gibt es heute nicht mehr, die Fabrik in Ghiffa ist jetzt ein Hutmuseum.

Es gab in diesem Blog mit den Posts ➱Hüte und ➱Bowler Hat schon mal etwas zum Thema Hut. Vielleicht schreibe ich irgendwann noch einmal etwas mehr dazu. Und ich trage natürlich weiterhin Hüte, auch wenn alle Welt Baseball Mützen trägt. Denn wie heißt es in Der kleine PrinzWarum sollten wir Angst vor einem Hut bekommen?

 

Kieler Chic? Gibt es so etwas? Ostfriesennerz und Prinz Heinrich Mütze oder was? Es gibt auf jeden Fall im ➱Warleberger Hof eine Ausstellung die Kieler Chic – Textilproduktion und Mode: 1945 – 1975 heißt. Und warum nicht, Schleswig-Holstein hatte ja einmal etwas zu bieten, was die Konfektion betraf. Von Flensburg (Herrenkleiderfabrik Anders Matthiesen) bis Lübeck (Hermann Rieckmanns Firma Rikson) gab es in den fünfziger Jahren ein halbes Dutzend Fabriken, die Herrenanzüge herstellten. Die Hela Kleiderwerke (Rendsburger Landstraße 206-208), die zuvor die deutsche Marine mit Uniformen beliefert hatten, stellten jetzt Hosen (und Sakkos) her, die zu den besten Produkten in Deutschland gehörten.

Hermann Marsian (Neumünster) produzierte Mäntel, die unter dem Namen Maris verkauft wurden. Die bürgten für Qualität, ebenso wie die Mäntel aus der Damenmantelfabrik von Arthur A. Erlhof in Ellerau. Dessen Produkte hießen erle zf , das Kürzel zf stand für zierliche Frau. Neumünster war damals noch ein deutsches Zentrum des Wollhandels, englische Wörterbücher kannten den Begriff Neumunster Tweed (lesen Sie mehr in dem Post ➱Made in Germany). Von der großen Zeit Neumünsters (wo es sogar in den dreißiger Jahren einen Rolls-Royce gab, die Leser von Hans Fallada wissen das) kündet heute nur noch ein Textilmuseum. Das alles könnte in der Ausstellung Kieler Chic erwähnt werden. Wird es aber nicht.

Die Ausstellung beleuchtet thematisch die Nachkriegszeit in Kiel. Dabei geht es um neue Wirtschaftskonzepte der Jahre nach Kriegsende, in denen auch die Konsumwarenherstellung wie die Textilbranche in Kiel eine Rolle spielte, etwa mit Schneidereien, Bekleidungsgeschäften, einem Modeverlag oder der Stumpffabrik Tilly. Zahlreiche Kleider und Textilwaren belegen den Wandel von der Nachkriegsnot zum Wirtschaftswunder, als die Pariser Mode mit ihren eleganten Silhouetten auch bei der Kieler Damenwelt zum Vorbild wurde. 

Adrette Kleidung gehörte aber auch für Männer zu den gesellschaftlichen Statussymbolen in der aufstrebenden Bundesrepublik. Die Ausstellung zeigt eine Fülle von Alltags- und Festmode wie Ballkleider mit weitem Tüllrock, Cocktailkleider, Reisemode, Bade- und Freizeitmode wie die Caprihose, Sonnenbrillen, Hüte nebst zugehörigen Hutschachteln, Strümpfe, Schuhe und Wäsche der 1950er Jahre; dazu zeitgenössische Werbung und zahlreiche Fotos, etwa von den Modeschauen anlässlich der Kieler Woche oder die Schaufensterauslagen der hiesigen Kaufhäuser und Modegeschäfte.

Das steht in dem Flyer, den es zur Ausstellung gibt. Der Flyer mit dem Plakat der Tilly Strümpfe ist das Beste der Ausstellung, viel mehr ist nicht. Die Photos von Modenschauen und Geschäften und Kaufhäusern sind beinahe alle von Fritz (Fiete) Magnussen (das hier von der Weihnachtsfeier eines Kieler Schuhgeschäfts allerdings nicht), der der Photograph der Kieler Nachrichten war. Magnussen hat aus der Zeit von 1945 bis 1977 eine halbe Million Negative hinterlassen, die heute vom Kieler Stadtarchiv archiviert werden. 34.000 Bilder hat man schon digital erfasst. Aber so nett Fiete Magnussen für die Dokumentation des Alltagsgeschehens ist, er ist kein ➱Federico Patellani (lesen Sie dazu ➱Cinecittà und die Mode), kein ➱F.C. Gundlach.

Er mag bei Karstadt im Jahre 1964 eine Modenschau photographieren, aber sagt uns das Bild viel über die Mode? Auf den Photos, die die angereiste ➱Prominenz (einschließlich der Callas) bei Stapelläufen zeigen, kommt ein wenig internationales Flair ins Spiel. Stapelläufe in den fünfziger Jahren waren auch gesellschaftliche Ereignisse, ich habe in meinem Heimatort beim Bremer Vulkan und bei Abeking & Rasmussen viele davon beobachtet. Die Mode war einfach: die Damen trugen Nerz, die Herren weiße Burberrys. Ich trug noch Lederhosen.

Das hübsche Plakat der Ausstellung kommt von der Firma Tilly (dies hier ist das Original), die auf dem Kieler Ostufer saß. Und nach wenigen Jahren pleite war und von Elbeo geschluckt wurde. Dann gab es in Kiel noch eine Modezeitschrift namens Elsa; und die Firma ELAC, die heute erstklassige Lautsprecher baut, stellte Nähmaschinen mehr. Mehr habe ich in der Ausstellung, deren Vorbereitung anderthalb Jahre dauerte, nicht erfahren. Es gibt keinen Katalog. Was sollte auch da drinstehen? Dass man fünf (!) Brigitte Hefte in einer Vitrine zeigt und dass Photos aus den Kieler Nachrichten an der Wand sind? Wollte man die Ausstellung, die noch bis zum 3. April läuft, mit nur einem Wort beschreiben, dann wäre das: armselig.

Der ehemalige Direktor des Warleberger Hofs Dr Jürgen Jensen hätte die Türen des Hauses für eine solche Ausstellung nicht geöffnet. Seine Nachfolgerin präsentiert hier stolz einen Krawattenbügler der fünfziger Jahre. Der Krawattenbügler Fasson, der immer ein willkommenes Geschenk war (steht auf der Verpackung), liegt in der Ausstellung neben weißen Oberhemden, die die Original Banderole der Kieler Wäscherei Frauenlob tragen. Die Oberhemden, der Krawattenbügler und der billige Smoking mit Schalkragen von der Firma Blohm sind übrigens die einzigen Objekte der Herrenmode. Diese Ausstellung widmet sich ganz der Damenmode. Vielleicht, weil bei den Damen der berühmte Kieler Chic vermutet werden kann.

Zu den weißen Oberhemden weiß die Direktorin zu sagen: Mit weißen Hemden sollten auch die dunklen Flecken der Vergangenheit getilgt werden. Wow. Beeindruckend. Ist allerdings völliger Unsinn. Die weißen ➱Oberhemden sind in den fünfziger Jahren die Standardbekleidung des Herrn. Auch in den Ländern, die keinen Grund haben, mit Lady Macbeth Out, damned spot! zu rufen, weil da gar keine dunklen Flecken der Vergangenheit getilgt werden müssen.

Zu den dunklen Flecken in der Kieler Geschichte, zu der ‚Arisierung‘ einer ganzen Branche, schweigt sich die Ausstellung aus. In der Firmengeschichte der Firma Meislahn (Spezialgeschäft für die deutsche Frau), die sich 1937 einen riesigen Bau im schönsten Monumentalstil des Nationalsozialismus gönnte, heißt es, dass der Besitzer Wilhelm Hacker (der Meislahn 1933 übernommen hatte) versuchte, den Stil des Hauses so gut es ging gegen die Tendenzen von draußen abzuschirmen. Über solche Dinge hätte man gerne mehr gewusst.

Aber die Kieler Nachrichten (das ist die Zeitung, die ihre ➱Kulturabteilung aufgegeben hat) waren von der Ausstellung begeistertAch, was waren die Kieler doch schick! Zum Beispiel Marie Luise Westphal, die Gattin des HDW-Werftdirektors, die Anfang der 1960er Jahre immer wieder ihre Auftritte hatte: Neben ihr sah selbst Operndiva Maria Callas, die zu einem Stapellauf nach Kiel gekommen war, blass aus. Stets mit extravagantem Hut, oft mit fünfreihiger Perlenkette und Pelzmantel gekleidet, gab sie den wichtigsten gesellschaftlichen Ereignissen den nötigen Glanz. „Sie war die Kieler Mode-Ikone schlechthin“, erzählt Museumsdirektorin Dr. Doris Tillmann und zeigt auf eine Fotocollage an der Wand. Doch lieber eines nach dem anderen. „Malu“ Westphal stammt ja schon aus der Blütezeit des Wirtschaftswunders. Kein Wunder, dass sie so schön war.

Das lassen wir mal so stehen, das kann man nicht überbieten. Und während uns die Direktorin hier zwei Hüte zeigt (im Hintergrund die schon erwähnten Pressephotos), denken wir mal einen Augenblick darüber nach, weshalb die Ausstellung so kläglich ist. Die erste Antwort wäre: die Ausstellung spiegelt nur den Kieler Chic wider, und der ist nun mal kläglich.

Und woher soll es kommen? Nehmen wir einmal die Herrenmode. Zwei halbwegs akzeptable ➱Herrenausstatter im Ort, von den Herren- und ➱Marineschneidern, die es vor fünfzig Jahren noch gab, ist keiner mehr übrig geblieben. Es war wahrscheinlich symbolisch, dass Kelly sein ➱Geschäft in dem Laden eines Uniformschneiders eröffnete.

Die kleinen Geschäfte haben aufgegeben. Michael Jung, bei dem man früher Regent kaufen konnte, widmet sich heute seinem Verlag, der plattdeutsche Literatur herausbringt. Aber auch die Großen, die die Kleinen plattgemacht haben, sehen hier nicht besser aus. Die P+C Tochter Ansons scheint vor dem Untergang zu stehen, so erschütternd ist das Angebot. Und die Konzernmutter P+C, die in Kiel in einer Phase des trading up begann, sind längst in der trading down Phase. Dieses Bild kann zeigen, wie schön Kiel ist. Das wird jetzt alles anders, weil wir ➱der echte Norden sind und ein neues ➱Logo für Kiel haben. Und alles, was in dem Post ➱Franco Costa steht, ist nicht wahr.

Antwort zwei auf die Frage, warum die Ausstellung so armselig ist, wäre: man wusste in Kiel nicht, dass es in der Textilstadt Neumünster (hier ein Gemälde aus den zwanziger Jahren) ein Textilmuseum gibt. Wo man vielleicht etwas mehr zu dem Thema gewusst hätte. Der Warleberger Hof ist nicht das ➱Victoria und Albert Museum. Die können in London solche Ausstellungen aus dem Hut zaubern wie Made In Britain: Tradition and Style in Contemporary British Fashion oder The Glamour of Italian Fashion since 1945 (lesen Sie mehr dazu in den Posts ➱Raffaele Caruso und ➱Cinecittà und die Mode). Dass man das in Kiel nicht kann, das weiß ich auch. Aber eine Bibliographie zur Mode, wie sie das V&A ins Netz stellt, das hätte man schon hinkriegen können.

Anderthalb Jahre Vorbereitung und dann so etwas? Die fünfziger Jahre sind ja kulturgeschichtlich nicht unerforscht. Meine Freundin ➱Gabi hätte diese Ausstellung mit ihrem Leistungskurs wahrscheinlich in vier Wochen fertig bekommen. Auf diesem Plakat können wir lesen: … und immer richtig angezogen! Dies Plakat ist von ➱René Gruau, hat aber nichts mit Kiel zu tun. Es stammt aus der Zeit, als der berühmteste Modezeichner seiner Generation Werbung für Diolen und Trevira lieferte. Diolen, Trevira, Dralon, Nylon, Petticoat (ich habe keinen in der Ausstellung gesehen) und Nierentisch kennzeichnen die Zeit. Ich besaß damals auch ein Nyltest Hemd, war modern, aber ganz furchtbar.

René Gruau wird auf einem dieser mit Platitüden gefüllten Kärtchen neben dem Exponat als Italiener bezeichnet. Gut, er ist in Italien geboren, aber der Sohn eines italienischen Grafen, der den Namen seiner Mutter angenommen hatte, hat den größten Teil seines Lebens in Frankreich gelebt. Genau gesagt, seit er fünfzehn war. Und die Sache mit René Gruau hätte man besser wissen können, zeigte man doch in diesen Räumen zwölf Jahre zuvor Modezeichnungen der letzten 100 Jahre aus der Sammlung Zahm. Damals widmete man Gruau einen ganzen Raum mit dreißig Plakten.

Es gibt zu der Ausstellung ein ambitioniertes Beiprogramm. Man kann sich in einem Nähkurs ein Cocktail Hütchen à la ➱Audrey Hepburn nähen, die nackte Hildegard Knef in Die Sünderin sehen oder einem Vortrag über Modeplakate lauschen. Man kann sich aber auch die drei Euro für den Eintritt sparen. So etwas, was auch zu den Fifties gehört, gab es natürlich leider auch nicht zu sehen. Wenn Sie einen Blick auf die Zeitschriften der fünfziger Jahre werfen wollen, dann klicken Sie doch einmal die Seite vom ➱Wirtschaftswundermuseum an.

Was in der Ausstellung nicht erwähnt wird, ist ein Kleidungsstück, das den Namen Kiel trägt und das weltweit (von ➱Prinz Albert bis ➱Donald Duck) Furore gemacht hat: der Kieler Matrosenanzug. Der junge Herr rechts auf dem Photos ahnt im Jahre 1928 noch nicht, dass er einmal Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden würde. Die drei Euro, die Sie gespart haben, könnten Sie natürlich in das Buch Der Matrosenanzug: Kulturgeschichte eines Kleidungsstücks von Robert Kuhn und Bernd Kreutz investieren. Hervorragend gemacht, bei Amazon Marketplace ab 0,01€.

Es gibt in meinem Blog sehr viel Mode. Soviel, dass ich die Post schon in den Themenblog ➱Kleiderschrank gepackt habe. Meistens geht es um die Herrenmode, aber ich muss doch einmal sagen: es gibt hier auch Damenmode. Zum Beispiel in den Posts: Charles Frederick Worth, Damenmode, Dior, Haute Couture, Wilfrid Israel, Weihnachtsgeschenke, Cinecittà und die Mode, Pierre Cardin, Coco Chanel, Mary QuantMade in GermanyJil Sander, Joan Didion, Breakfast at Tiffany’s, Sommermode, Brioni, Cardigan, Ruth Leuwerik


 

Weihnachtsgeschenke, Weihnachtsgeschenke. Ich habe sie noch nicht alle ausgepackt, habe noch nicht mal alle Briefe und Karten gelesen. Ich lasse mir damit immer Zeit, und in diesem Jahr ist das Weihnachtsfest ja sehr lang. Einige Geschenke möchte ich doch hier erwähnen, weil es Bücher sind, die auch meine Leser interessieren könnten. Und damit meine ich jetzt nicht, dass ich eine Erstausgabe von Chandlers The Simple Art of Murder geschenkt bekommen habe. Dazu können Sie natürlich viel in diesem ➱Post lesen. Nein, ich meine ein ➱Buch wie Ein Feentempel der Mode oder Eine vergessene Familie, ein ausgelöschter Ort: Die Familie Freudenberg und das Modehaus Herrmann Gerson von Gesa Kessemeier.

Ich bin auf das Thema der Vernichtung der Berliner Modewelt schon in den Post ➱Haute Couture und ➱Wilfrid Israel (und vielleicht auch in ➱Damenmode) eingegangen. Und ich will auch gerne im Vorbeigehen Bücher wie Gloria Sultanos Wie geistiges Kokain: Mode unterm Hakenkreuz (1995) oder Irene Guenthers Nazi Chic? Fashioning Women in the Third Reich (2004) erwähnen, die alle noch nicht das letzte Wort in der Aufarbeitung dieses zu lange vernachlässigten Themas sein können. Denn seit Uwe Westphals Buch Berliner Konfektion und Mode: Die Zerstörung einer Tradition 1836-1939 aus dem Jahre 1992 hätte man eine Vielzahl von Publikationen erwartet.

Aber wir tun uns da offensichtlich bei solchen Themen schwer. Ich habe mehrfach auf Uwe Westphals Buch hingewiesen, ein Buch, das für die Berliner Mode wohl wichtiger ist als die Schriften des Nazis Hermann Marten von Eelking (der schon ➱hier erwähnt wird, da gibt es auch einen Link zu seinem Buch über das modische Braunhemd). Uwe Westphal hat mir geschrieben und mich darauf aufmerksam gemacht, dass er gerade einen ➱Roman (Ehrenfried & Cohn) zu diesem Thema geschrieben hat. Dafür gibt es hier gerne ein wenig Werbung.

Aller guten Dinge sind drei. Ich kann nicht über alle Geschenke schreiben, habe  sie noch nicht alle ausgepackt. Selbstverständlich besaß ich Ausgaben von The Simple Art of Murder, aber eben keine Erstausgabe. Von Gesa Kessemeier Buch hatte ich noch nie zuvor gehört, von dem dritten Buch auch nicht. Es ist von Christine L. Corton und heißt London Fog: The Biography. Meine Freunde schaffen es zu Weihnachten und an Geburtstagen immer wieder, mich zu überraschen. Da kann ich Themen, die mich interessieren, mittels der Jahresbibliographie der MLA bibliographieren, so lange ich will, irgendetwas entgeht mir immer. Und das bekomme ich dann geschenkt, Feste sind eine schöne Sache.

Christine L. Corton ist die Gattin von Sir Richard John Evans, dem Historiker, der eine auch in Deutschland bekannte Geschichte des sogenannten Dritten Reichs geschrieben hat. Wir könnten Sie auch Lady Evans nennen. Vor fünf Jahren hat sie von der Universität Kent einen Doktortitel für ihre Dissertation London Fog as a Cultural Metaphor in Victorian and Edwardian Literature erhalten, und die hat sie nun bis zum Clean Air Act von 1956 erweitert und umgeschrieben. Das Wetter in der Literatur ist ja ein schönes Thema für Doktorarbeiten, ich darf daran erinnern, dass ➱F.C. Delius schon 1971 die Dissertation Der Held und sein Wetter: Ein Kunstmittel und sein ideologischer Gebrauch im Roman des bürgerlichen Realismus vorgelegt hatte.

Aber London Fog: The Biography ist etwas anderes als das Buch von Delius, Ideologie kommt hier nicht vor. Dies ist eine Kultur- und Sozialgeschichte des Londoner Nebels. Natürlich habe ich erst die ersten Kapitel gelesen und kann noch nicht endgültig über das Buch urteilen, doch alle Rezensionen sind sehr lobend. Das Buch erinnerte mich manchmal ein klein wenig an dieses tolle Buch über die Cholera in Hamburg, das ich vor Jahrzehnten gelesen hatte.

Das musste ich erst suchen. Erkannte dann aber, dass der Rowohlt Band Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830–1910 von niemand anderem als dem Ehemann von Christine L. Corton war. Solch hervorragende kulturgeschichtliche Studien bleiben offensichtlich in der Familie. das ist irgendwie sehr witzig. Es sind immer wieder die Engländer, die solche Bücher schreiben. Der einzige Deutsche, der da mithalten kann, ist Wolfgang Schivelbusch, aber von dem habe ich auch lange nichts mehr gelesen.

Viele Leser haben mir Weihnachtsgrüße geschickt, verbunden mit dem Wunsch, dass es mit diesem Blog im Jahre 2016 so weitergehen möge wie bisher. Keine Sorge, deo volente nobis viventibus, wird das so sein.

 

Franzosen haben zu Schuhen ein besonderes Verhältnis. On reconnaît un homme chic à sa chaussure et à sa cravate, hat Henri Hellstern gesagt. Der handelte mit Schuhen, der muss so etwas sagen. Aber in Frankreich spricht sogar der Dichter schon einmal von seinen Schuhen, wie Rimbaud in der letzten Strophe seines ➱Gedichts Ma bohème (Fantasie)Où, rimant au milieu des ombres fantastiques, Comme des lyres, je tirais les élastiques De mes souliers blessés, un pied près de mon coeur!

Bei Henri Hellstern findet sich die wunderbare kleine Geschichte über die Wichtigkeit von Schuhen, mit der er seinen Satz On reconnaît un homme chic à sa chaussure et à sa cravate beweist: Témoin cette petite histoire. Un jour, sur les boulevards, je croise une péripatéticienne, elle regarde mes chaussures et me sourit. Une deuxième me croise encore et regarde mes chaussures et sourit. Étonné, je l’accoste et lui en demande la raison. Elle me répond: Dans notre métier, on regarde d’abord le pied, on voit alors à qui on a affaire et l’on est sûr du portefeuille, bien garni.

Henri Hellstern war einer von drei Söhnen von Louis Hellstern, der 1870 das Schuhhaus Hellstern in der Rue du 29 juillet begründet hatte. Um die Jahrhundertwende zog man an den Place Vendôme (und eine Filiale in Old Bond Street gab es auch), da waren die Hellsterns schon eine feste Größe in der Welt der Luxusschuhe (man hatte auch eine Schuhfabrik mit hundert Schuhmachern). Eigentlich stellten sie Herrenschuhe her, aber berühmt wurden sie für ihre Damenschuhe. Wie zum Beispiel diese aus dem Jahre 1921, die man im Metropolitan Museum of Art bewundern kann.

Die Hellsterns tauchen natürlich in dem Buch L’art de la chaussure von Marie-Josephe Bossan auf, einer Kulturgeschichte des Schuhs, die auch in deutscher und englischer Sprache erhältlich ist. Die Verfasserin versteht etwas von Schuhen (was ja leider im Bereich der vielen ➱Modebücher nicht immer der Fall ist): sie ist die Leiterin von Le musée international de la chaussure in Romans-sur-Isère, einer Stadt, die einmal das Zentrum der französischen Schuhproduktion war. Bevor man in die Schuhe in Spanien, Portugal oder Italien produzieren ließ.

Die Geschichte mit den péripatéticiennes, die Hellstern erzählt, ist der Geschichte ähnlich, die der ➱Herzog von Bedford erzählt. Aber wo da ein englischer Oberkellner der arbiter elegantiarum ist, sind es hier Pariser Bordsteinschwalben. Das sind kleine, feine kulturelle Unterschiede. Das Thema Schuhe bedeutet für Franzosen offensichtlich mehr als für Deutsche. Wir haben sicher auch Bordsteinschwalben, aber keinerlei Äquivalent für große bunte Magazine wie dies hier. Glücklicherweise habe ich jemanden in Frankreich, der mich in Bezug auf die bunten Magazine auf dem laufenden hält. Von Zeit zu Zeit schickt mir mein ehemaliger Student Patrick Schmidt, der jetzt als Übersetzer in Frankreich lebt, diese schönen Hochglanzprodukte zu. Ich habe Patrick Schmidt schon in dem Post ➱007 erwähnt, weil ihm Sean Connery mal ein Autogramm gegeben hat.

Über französische Herrenschuhe zu schreiben, bedeutet über Corthay, Aubercy (hier ihr Laden in Paris), J.M. Weston und Berluti zu schreiben, aber ich fange mal ganz anders an. Als ich noch am Schreiben des Posts ➱Italienische Herrenschuhe war, ersteigerte ich nebenbei dieses Paar Schuhe, das als feinste engl. Handarbeit einer kleinen englischen Manufaktur apostrophiert war. Es war mir klar, dass kein Wort davon wahr war, aber der Schuh war mir die 27 Euro wert. Inzwischen ist er angekommen, es ist wirklich ein guter Schuh. Ich hatte zuerst einen italienischen Fälscher vermutet, denn die Adresse auf der Innensohle war die kurioseste Sache.

19th. Sunset Street London stand da als Adresse des Schuhmachers. Gäbe es eine Sunset Street in London – und es gibt sie natürlich nicht – würde ein Engländer 19 Sunset Street schreiben. Ohne ti-eitsch und ohne Punkt. Aber die Italiener, die gerne ihren Schuhen englische Namen geben, waren diesmal unschuldig. Auf der Sohle stand cuir veritable: dieser englische Schuh kam aus Frankreich. War aber eine erstklassige Arbeit.

Die Anglomanie treibt seltsame Blüten, doch sie ist in Frankreich schon lange zu Hause. Sicherlich ist Voltaire mit seinen Lettres anglaises daran nicht unschuldig, um 1760 hat die Anglomanie ihren ersten Höhepunkt. Man bewundert die englischen Philosophen, imitiert ihre ➱Kleidung, fährt englische Kutschen und legt englische ➱Landschaftsgärten an. Ian Buruma, der hervorragende Bücher zur Kulturgeschichte geschrieben hat, hat die Formen der Anglophilie und Anglomanie in Europa sehr schön in seinem Buch Anglomania: Europas englischer Traum (das es antiquarisch sehr preiswert gibt) aufgezeigt.

Franzosen haben englische Namen gerne, der Laden mit dem Namen Old England in Paris war einmal ein Jahrhundert lang eine Bastion der anglophilen Franzosen. Und John Lobb (Paris) war auch einmal eine englische Bastion. Aber dann hat die Familie Lobb die Filiale an Hermès verkauft (das sind die mit dem ➱Roland Barthes Seidentuch), und diese Firma lässt heute in Northampton Fabrikschuhe mit dem Namen John Lobb herstellen. Die natürlich niemand mit den ➱John Lobb Schuhen aus London verwechselt. Und auch nicht mit den geflügelten Schuhen jenes Hermes, der der Gott der Kaufleute und der Diebe ist. Ich weiß nicht, weshalb mir die Sache mit den Kaufleuten und den Dieben immer einfällt, wenn ich den Namen Hermès höre.

Und dann wäre neben John Lobb noch ein englischer Schuhmacher zu nennen, der inzwischen auch schon in der der französischen Haute Couture Furore macht. Engländer in Paris sind nicht so außergewöhnlich, schließlich ist es ein Engländer gewesen, der die Pariser Haute Couture begründet hat (lesen Sie mehr in dem Post ➱Charles Frederick Worth). Unser heutiger Engländer heißt Jimmy Choo (er kann inzwischen OBE hinter seinen Namen schreiben), er wurde bekannt, weil er die Schuhe für Prinzessin Diana machte. Er ist (wie ➱Manolo Blahnik) berühmt für seine Damenschuhe.

Die sicherlich kleine Kunstwerke sind, Jimmy Choo ist ein gelernter Schuhmacher wie Salvatore Ferragamo. Nicht jedermann (oder jede Frau) kommt mit den Schuhen zurecht: Last week, I cracked my ankle just putting it into a Jimmy Choo, sagt Patsy Stone in Absolutely Fabulous. Patsy Stone ist natürlich Joanna Lumley, die solche Sätze überzeugend rüberbringt. Aber auch wenn Jimmy Choo inzwischen Paris erobert hat, er ist vom Modeteufel in Versuchung geführt worden und hat eine Kollektion für Hennes & Mauritz entworfen. Billige Schuhe, die wie Kunstleder aussehen, lesen Sie doch einmal diesen ➱TestberichtIst der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

Jimmy Choo ist nicht der einzige ausländische Schuhmacher, der in Paris Erfolg hat. Auch die Schuhe von Laszlo Vass kommen bei den Franzosen gut an, vor allem ist man da auch von der charmanten Tochter von Vass begeistert. Was hier das Pariser Pflaster verschönert, ist natürlich nicht der Theresianer von Vass, sondern der neue U(=Ugolini)- oder K-Leisten, der den Schuh aussehen lässt wie die Schuhe von Berluti, Corthay oder Aubercy.

Der Sohn von Edouard Blanchard (der eine Schuhfabrik in Limoges gegründet hatte) war zu Anfang des 20. Jahrhunderts der Meinung, dass ein englischer Name wie J.M. Weston gut für das Geschäft wäre. Zumal er gerade aus Amerika zurückgekommen war, wo er in Boston die amerikanische Schuhindustrie und den Einsatz der Goodyear Maschine studiert hatte. 1922 eröffnete man ein Geschäft an der Ecke von Rue de Courcelles und Boulevard de Courcelles, 1932 kam ein Geschäft auf den Champs Elysées dazu (Sie können die Geschichte der Firma hier verfolgen).

Der loafer, den man 1946 herausgebracht hatte, wurde in Frankreich (und in Amerika) in den sechziger Jahren zu einem Kultgegenstand, das können Sie schon in dem Post ➱Blazer lesen. Der moccasin 180 gehörte zur Standardausstattung der minets, die vor dem Szenetreff ➱Drugstore Schlange standen. Ich finde dieses Photo immer wieder rührend, weil ich genau das, was diese jungen Herren tragen, damals auch getragen habe. Allerdings hatte ich keine J.M. Weston Schuhe an den Füßen.

Mein einziger J.M. Weston Schuh sieht genau so aus wie dieser hier, und die wirklich komische Geschichte des Kaufes steht in dem Post ➱Rosstäuscher. Der Schuh ist mir mit seiner doppelten Sohle ein wenig zu schwer für den täglichen Gebrauch, die Firma hat so einen Hang zum Rustikalen. Macht aber auch elegante Schuhe. Habe ich schon an den Füßen von Helge Sternke gesehen, der viel von dieser Marke hält.

Die Firma Berluti lassen wir heute einmal draußen vor. Zum einen hat sie mit ➱Wayward Cows schon einen Post, zum anderen kann man in dem Post ➱Kiton/Chiton die etwas schmutzige Geschichte eines Skandals lesen, in dem Berluti Schuhe eine Rolle spielten. Berluti macht zwar Maßschuhe in Handarbeit in Paris, aber die Masse der Schuhe, die den Namen Berluti tragen, kommt von der italienischen Firma Stefanobi (die auch die Schuhe für Lanvin machen). StefanoBi war einmal ein Teil der Firma Stefano Branchini, gehört aber jetzt ebenso wie Berluti zu Louis Vuitton. Ich will nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass die Firma Berluti in diesem Jahr 120 Jahre alt ist und zu diesem Anlass im Februar ein dickes Bilderbuch Berluti: At Their Feet von Glenn O’Brien erscheinen wird.

Die Haute Couture Häuser in Paris haben in vielen Fällen die Schuhmode nicht ausgelassen. Natürlich haben Sie keine eigenen Fabriken, sondern lassen die Schuhe für sich produzieren. Die dann von sehr unterschiedlicher Qualität sind. Über Karl Lagerfeld Schuhe wollen wir lieber nicht reden. Manchmal suchen die Couturiers die Verbindung zu berühmten Schuhmachern, wie zum Beispiel Chanel und Massaro. Als der letzte des Namens noch in der Werkstatt arbeitete, hatte er ein knappes Dutzend Gehilfen – wie will man da all die Schuhe für Chanel machen? Aber man braucht einen berühmten Namen und eine über hundert jährige Geschichte, der Rest ist Show Business.

Beinahe alle Haute Couture Häuser haben Turnschuhe, Verzeihung: Sneakers, im Angebot. Die preislich weit über dem liegen, was mein Adidas Rom 1962 gekostet hat. Die Sneakers von Dior Homme liegen preislich bei 500 bis 800 €, das ist etwas, was ich ziemlich pervers finde. Das ist aber noch nichts gegen diesen Schuh von Balmain, der aussieht, als sei er aus dem Fundus von Star Wars geklaut worden. Wenn Sie das Luke Skywalker Feeling haben wollen: das Paar kostet 1.450 Euro.

Und bei ebay bot ein Händler das Modell mit dem sprechenden Namen Pik Pik von Christian Louboutin für 5.000 Euro an und setzte agressiv dazu: Bitte nur realistische Preisvorschläge machen, denn die Schuhe sind keine Ramschware und somit auch nicht für die breite Masse bestimmt!!! Wer sich die Schuhe nicht leisten kann, soll mir bitte keine lächerlichen Preisvorschläge im dreistelligen Bereich machen!!!

Neben den großen Namen wie Aubercy oder Pierre Corthay (sie können den Meister ➱hier bei der Arbeit sehen, gibt es in Frankreich eine interessante Mittelklasse von Firmen, die alle Schuhe herstellen, die auf den ersten Blick so aussehen wie diese Maßschuhe von Aubercy. Sie werden nicht das gute Leder und nicht die handwerkliche Qualität haben (und die meisten werden auch keinen Service anbieten, der den Schuh mit einer Patina versieht), aber sie haben Stil.

Da müssen sich Firmen wie Finsbury schon mal vorhalten lassen, dass sie Berluti für Arme produzieren. In der Welt, in der der Teufel Prada trägt, ist man schnell mit solchen Sätzen dabei. Eine dieser Firmen aus dem mittleren Bereich ist Finsbury, die Firma ist dreißig Jahre alt, und sie hat in Paris schon beinahe zwanzig Filialen. Die in Boulogne-Billancourt mitgezählt. Bei ➱Billancourt fallen mir immer die toten Hunde in der Seine, die alten Filmstudios und die Renault Fabrik ein, ich kann nicht anders. Sie können sich hier das Angebot der Firma anschauen, da ist auch ein Sonderangebot für das Weihnachtsfest dabei: zwei Paar Schuhe für 320 Euro.

Finsbury ist wieder einmal ein englischer Name (die Firma Crockett & Jones hat übrigens auch ein Modell Finsbury im Angebot), und die Firmen Bowen, Emling und Loding, die sich alle im ähnlichen Preissegment bewegen, haben auch so einen englischen Klang. Man liebt diesen chic à l’anglaise, deshalb nannte Eric Botton die von ihm 1986 in Lyon gegründete Firma auch Bexley. Die Firmen Septième Largeur und Markowski haben keine englischen Namen, die beiden Marken (und Bowen und Emling) wurden von Marcos Fernandez Cabezas (hier mit seinem Neffen Matthew Preiss) gegründet. Die Schuhe kommen allerdings nicht aus Frankreich, die werden in Spanien und Portugal (unter anderem bei Carlos Santos) hergestellt. Die Schuhe von Marc Guyot werden wohl auch bei Carlos Santos produziert.

Septième Largeur bietet auch (wie Berluti und andere) eine Patinierung an. Schuhe werden zu kleinen Kunstwerken. Nimmt man die dann mit nach Hause und stellt sie auf einem Podest aus? Ich dachte immer, dass der Butler die Schuhe putzt. Nein, im Ernst, wir putzen natürlich selbst, wir halten es da mit ➱Abraham Lincoln. Der einmal zu Diplomaten, die ihn im Garten des Weißen Hauses beim Schuhputzen antrafen und ihm vorhielten, In England no gentleman ever cleans his own boots, geantwortet haben soll: Indeed? Whose boots do they clean then? Die Pik Pik Schuhe von Christian Louboutin brauchen natürlich keine Patinierung, die können Sie zu Hause mit der Sprühdose patinieren.

Die erste Firma, die neben Berluti solch einen Patinierservice in Paris anbot, war Altan, eine kleine Werkstatt, die der aus der Türkei gekommene Schuhmacher Sukru Sensozlu nach seinem gerade geborenen Sohn Altan benannt hatte. Zuerst war Sensozlu nur Maßschuhmacher, inzwischen hat man auch eine RTW Linie und heißt Altan Bottier. Und man hat eben diesen Service, der die Schuhe anpinselt. Die Schuhe der Marke kommen aus Spanien und ➱Portugal, da können wir mal raten, wer die herstellt.

Altans Partner Samy Gouasmia, der 1998 mit ihm die Firma Altan Bottier gründete, hat jetzt eine eigene Firma, die Gustavia heißt. Die Schuhe, die um die 340 € kosten (dieser wholecut kostet 410 €), aber sehr viel teurer aussehen, kommen auch aus Portugal. Gustavia ist eine der vielen Firmen, die in den letzten dreißig Jahren neu auf der Bildfläche erschienen. Die Firmen haben manches gemein: ihre Schuhe liegen in der Preisgruppe von dreihundert Euro (nur Loding ist konsequent preiswerter), die Firmen wurden häufig von Zuwanderern gegründet, die Produktion ist in den meisten Fällen nicht in Frankreich, und die Schuhe sehen sehr gut aus. Sehen auch nach viel mehr aus. Wie gut sie nach zehn Jahren aussehen, weiß man nicht. Über die Qualität informiert die Seite Parisian Gentleman kontinuierlich, die häufig die Lederqualität und die Verarbeitung kritisiert.

Was mich zu meiner letzten Marke bringt, die ein wenig aus dem ganzen heraus fällt. Die Firma Heschung im Elsass gibt es schon seit 1934, sie ist mit ihren zwiegenähten Schuhen der Liebling von Jägern, Förstern und Wilddieben. Wenn Sie The Heritage Post abonniert haben und die Schuhe von Viberg oder Trabert nicht mögen, dann ist Heschung genau das Richtige für Sie. Ich habe seit Jahren dieses Modell hier (war mal bei Manufactum im Angebot), ein Schuh, der wunderbar für Regen, Schnee und Matsch ist. Und dabei noch ganz gut aussieht. Für einen Allwetterschuh ist er geradezu elegant. Elegante Schuhe kann man bei Heschung auch, und ganz nebenbei sollte man erwähnen, dass die Firma auch die Freizeitschuhe für John Lobb Paris macht.

Das wäre meine kleine Übersicht über die Welt der französischen Schuhe. Es ist eine Art window shopping, sie sind wunderschön anzusehen, aber man braucht sie nicht unbedingt zu haben. Sicherlich wäre es schön, einen Schuh von Aubercy oder Corthay zu besitzen, aber wie Claude Chabrol sagte: On ne peut pas tout avoir. Et puis d’abord où le mettrait-on? Und das Geld, das man spart, wenn man keine Schuhe von Berluti, Aubercy oder Corthay kauft, kann man in diesen Tagen auch spenden. Ich habe mit der französischen Literatur angefangen, ich möchte auch damit aufhören. Nicht mit Arthur Rimbaud, sondern mit ➱Léo Malet, dem Verfasser dieser schönen Paris Romane mit dem Helden Nestor Burma (der seiner Sekretärin Hélène immer Schuhe schenkt, die ihr nicht passen). Es ist die Geschichte, wie der Franzose Léo Malet in das deutsche KZ Sandbostel bei ➱Bremen kommt.

Zuerst hatte ihn die französische Polizei wegen eines angeblich surrealistisch-leninistischen Komplotts festgenommen, aber nach kurzer Zeit aus dem Gefängnis entlassen. Beim Versuch, nach Paris zu gelangen, gerät er in eine deutsche Militärstreife: Ich trug einen hellen Einreiher, den ich mir von einem der besten Schneider in Paris hatte maßschneidern lassen. Er hatte nicht allzu arg unter seinem Aufenthalt im Gefängnis von Rennes gelitten. An den Füßen trug ich wunderschöne Wildlederschuhe in Herbstblattfarbe, eine unglaubliche Farbe, die ich später nie wieder fand. Jacques Prévert hatte sie mir geschenkt, als er eines Tages seine Garderobe sortierte. Herbstblattfarben! Jacques Prévert. Dieser Anzug und Préverts Schuhe landeten mit mir im Stalag. Dort nahm man sie mir ab... Das Ausrufezeichen hinter Herbstblattfarben! hat er wahrscheinlich deshalb gesetzt, weil ihn die Schuhe an Préverts berühmtestes Chanson Les feuilles mortes erinnerten. Wenn die Schuhe auch verloren sind, jetzt sind sie Literatur. Wir werden die wunderschönen Wildlederschuhe in Herbstblattfarbe nie vergessen. Oder die Schuhputzer vom Broadway, über die Prévert das ➱Chanson Les cireurs des souliers de Broadway geschrieben hat. Als Léo Malet seinem Verleger den ersten Roman seiner Reihe Les Nouveaux Mystères de Paris verkauft hatte, kaufte er sich als erstes ein Paar teurer neuer Schuhe.

Noch mehr Schuhe in den Posts: ➱Cliff Roberts, Artisan, ➱Wiener Leisten, ➱Englische Herrenschuhe (Trickers), ➱Englische Herrenschuhe (London) ➱Englische Herrenschuhe (Alfred Sargent), ➱Schuhe aus Portugal, ➱Italienische Herrenschuhe, ➱Dinkelacker, ➱Kuckelkorn, ➱Kiton/Chiton, ➱wayward cows, ➱Lord Byrons Schuhe, ➱Militärisches Schuhwerk, ➱Wildlederschuhe, ➱Chelsea Boots, ➱Wirkungen, ➱Zeit der Unschuld, ➱Gamaschen, ➱Christian Rohlfs, ➱Laurence Harvey, ➱Blazer, ➱Morning Coat, ➱Fernandel, ➱Léo Malet, ➱Schuhcreme

 

Von Zeit zu Zeit juckt es mich doch, über Schuhe zu schreiben. Sie kennen das schon. Nicht, dass ich im Nebenberuf Schuhe testen würde, wie der Held von Wilhelm Genazinos Roman Ein Regenschirm für diesen Tag. Aber ich mag schöne Schuhe. Nachdem ich mehrere Posts zu englischen Schuhen im Blog stehen hatte, schrieb ich über Schuhe aus Portugal und dachte mir: irgendwann wirst du auch noch über spanische, französische und italienische Schuhe schreiben müssen.

Ich fange mal mit den italienischen Schuhen an, da kenne ich mich besser aus als mit den spanischen und französischen (obgleich ich zwei Paar Schuhe aus Frankreich besitze). Ich habe auch eine Vielzahl von dicken, fetten Büchern und Katalogen über die italienische Mode, wobei man leider sagen muss, dass der Katalog des ➱Victoria & Albert Museums vom letzten Jahr eine ziemliche Enttäuschung ist. Es war zwar eine gigantische Show (die immer noch tourt), aber die Artikel des Katalogs sind doch ziemlich oberflächlich.

Was ich leider – trotz der schnuckeligen ➱Audrey Hepburn – nicht behandeln kann, sind italienische Damenschuhe. Was simpel daran liegt, dass ich von Damenschuhen überhaupt nichts verstehe. Von der ➱Damenmode schon eher etwas. Zur Zeit von Audrey Hepburn waren die Schuhe des Florentiners Salvatore Ferragamo einmal die ganz große Sache, ich weiß nicht, wie das heute mit der Qualität ist.

Salvatore Ferragamo ist tot, der kontrolliert nicht mehr penibel das Endprodukt. Wenn man unbedingt einen Ferragamo Schuh haben will, weil man immer noch von Audrey Hepburn träumt, dann sollte man unbedingt einen Schuh aus der Linie Tramezza nehmen. Ich habe ein Modell davon (Bild), das über die Jahre eine wunderbare Patina bekommen hat. Und wie ein alter Edward Green Schuh aussieht.

Während in der Luxuskonfektion das Label Made in Italy ein Qualitätszeichen ist, besagen diese Worte auf einem italienischen Schuh gar nichts. Das kann etwas Unbezahlbares sein, wie ein solches Paar Schuhe von Silvano Lattanzi für siebeneinhalb Tausend Dollar, es kann aber auch auf dem billigsten Schrott stehen. Zwischen Lattanzi, Bontini oder einer Firma wie Borelli (die es bei Deichmann zu kaufen gibt) liegen Welten. Um das Made in Italy ist in Italien in den letzten Jahren ein Kampf entbrannt.

Niemand scheint mehr zu wissen, was es bedeutet. Es kann heute auch schlicht bedeuten, dass ein Produkt in Italien von Chinesen hergestellt wurde. Die übrigens auch in China italienische Schuhe fälschen, im letzten Jahr deckte die Polizei einen kriminellen Handel mit chinesischen Schuhen auf, die alle als Zenobi 1946 Firenze Made in Italy gekennzeichnet waren. Das sieht man bei Zenobi nicht so gerne. Man kann auch nicht verheimlichen, dass die italienische Schuhindustrie schon seit einigen Jahren Produktionen ins Ausland verlagert hat, die Löhne in Italien – vor allem im Norden – sind gestiegen. Wenn man Dinge billig anbieten will, braucht man niedrige Personalkosten. Der John Ruskin zugeschrieben Satz: There is hardly anything in the world that someone cannot make a little worse and sell a little cheaper, and the people who consider price alone are that person’s lawful prey, besitzt eine zeitlose Gültigkeit, auch wenn er wahrscheinlich nicht von Ruskin ist.

Die italienische Schuhindustrie fährt in den letzten Jahren Verluste ein. Wahrscheinlich nicht in dem Bereich des Marktes, in dem Lattanzi, Stefano Bemer (der schon erwähnt wurde, weil er mal einen englischen ➱Filmschauspieler als Lehrling hatte) oder Paolo Scafora (der neuerdings durch Borghetti & Bülow, die Agentur von ➱Raffaele Caruso, vertreten wird) sich bewegen. Und wenn Annarita Piloti, die gerade neu gewählte Chefin des italienischen Schuhverbands Assocalzaturifici, die jährlichen Verluste beklagt, dann wird das eine Firma wie Stefanobi (die einmal zu Stefano Branchini gehörte) kaum berühren. Die ist nämlich unter dem Dach von ➱Louis Vuitton und macht die Schuhe für ➱Berluti.

Ein großer Teil der italienischen Schuhe geht nach Amerika. Vor allem die Luxusprodukte, die man in Deutschland vergeblich suchen wird. Dies scheint ein Markt zu sein, der nicht gefährdet ist, aber andere Länder brechen Italien als Importeure weg. Russland zum Beispiel, die Wirtschaftssanktionen machen sich bemerkbar. Man fragt sich natürlich, was die Amerikaner mit den Luxusschuhen wollen. Den durchschnittlichen Amerikaner stellen wir uns doch eher so vor wie hier ➱Adlai Stevenson im Jahre 1952 mit dem Loch in der Sohle. Aber es gibt da natürlich auch genügend Millionäre (und Freunde der italienischen Oper), die sich Schuhe von Silvano Lattanzi leisten können.

Ganz oben im Olymp der italienischen Schuhmacherei ist wohl der römische Schuhmacher Gatto, über den der König Alfonso XIII von Spanien gesagt haben soll, dass es in Rom zwei Wunder gebe: die Sixtinische Kapelle und den Schuhmacher Gatto. Bei Gatto (hier ein Blick auf die Produktion) hat mal ein Schuhmacher namens Giaconeli Mateotti gearbeitet, den der alte Angelo Gatto noch angelernt hat. Giaconeli Mateotti gibt es nicht wirklich, er ist eine Romanfigur in ➱Henning Mankels Roman Die italienischen Schuhe. Das dritte Kapitel ist ganz rührend (Sie können es ➱hier lesen).

Wenn Alfonso XIII Gatto über den grünen Klee lobt, hat er natürlich Daniele Marini vergessen, bei dem sich ➱Marcello Maistroianni und Fellini die Schuhe machen ließen. Es ist bei italienischen Schuhmachern (ebenso wie bei den Engländern) immer gut, wenn man Könige, Herzöge und Filmschauspieler zu seinen Kunden zählen kann. Das hier ist ein Schuh von Marini, wir wollen mal hoffen, dass es ein CITES Zertifikat dazu gibt. Die Italiener lieben so etwas ja, aber für norddeutsches Schmuddelwetter ist das sicher nichts.

Nicht für jedermann ist Rom der Olymp der Schuhmacherei. Brioni schrieb einst Roman Style auf seine Etiketten, und wir wissen, dass der neapolische Stil von Kiton ein Jackett ganz anders aussehen lässt. So gibt es auch regionale Stilunterschiede bei den Schuhen, und für manche liegt der Olymp nicht in Rom, sondern in Florenz (hier ein Blick auf die Produkte von Roberto Ugolini). Also da, wo Stefano Bemer wirkte, wo Calogero Mannina seine Werkstatt hat und wo die Fabrik von Sutor Mantellassi ist.

Das ist ein Hersteller, der vor fünf Jahren in die Schlagzeilen geriet, weil die Lario Gruppe (zu der Sutor Mantellassi und Lorenzo Banfi gehörten) von der koreanischen Investoren Gruppe E. Land gekauft wurde. Wie sich das auf die Qualität der Schuhe von Sutor Mantellassi auswirkt, weiß ich nicht. Dr Sevan Minasian hat auf seiner wirklich schönen ➱Seite eine Menge über die Qualität dieser Firma zu sagen, allerdings sind das wohl ältere Modelle einer besseren Qualitätsstufe. Viele italienische Firmen (die auch die Schuhe für andere machen, wie zum Beispiel Campanile für Canali) bieten sehr unterschiedliche Qualitäten an, von einer Wald- und Wiesenqualität bis zur erstklassigen Handarbeit. Bei Gatto, Lattanzi und Daniele Marini würde man nicht auf diese Idee kommen.

Sutor Mantellassi hat sich für das relaunch der Dienste von Scott Schuman versichert. Den kennt man von dem Blog ➱The Sartorialist, aber er hat natürlich wenig Ahnung von der Schuhherstellung. Man kann das aber sicher werbemäßig gut verkaufen, da der größte Teil der Produktion von Sutor Mantellassi in die USA geht. Diese junge Frau braucht keine Werbemaßnahmen und keinen koreanischen Investor, sie ist wahrscheinlich im Augenblick die berühmteste ➱Schuhmacherin von Florenz. Sie heißt Saskia Wittmer und kommt aus Deutschland.

Man hat das Gefühl, dass alle italienischen Schuhfirmen auf i enden, und die Italiener vermitteln einem seit jeher den Glauben, dass sie modisch die Nase vorn haben. Im Augenblick scheint diese Art Schuh in Italien ganz aktuell zu sein. Den wholecut rechts würde ich ja noch nehmen, wenn diese eckige Sohlenform nicht wäre, die nichts von dem suspicious square toe von ➱George Cleverleys chisel toe Leisten hat.

Und dann noch diese Zopfnaht, die hat mich schon vor vierzig Jahren bei meinen ➱Dinkelacker Schuhen gestört. Die Italiener nennen das Ganze norvegese, und dahinter verbirgt sich meist nichts als der zwiegenähte Schuh (häufig sind diese Nähte aber auch nur Zierstepperei). Wenn man so etwa haben will, dann sollte man sich bei Schuh Bertl einen Haferlschuh kaufen, das ist ehrlicher.

Der Prototyp des italienischen Schuhs sieht ungefähr so aus wie dieser hier, für so etwas sind die Südländer berühmt. Es ist dieser typische Zuhälter Schuh, der der italienischen Schuhmode ihren leicht anrüchigen Beigeschmack gibt. Man assoziiert den Schuh mit Leuten wie Willy de Ville, der 1985 ➱Italian Shoes sang. Trägt man einen englischen Schuh, wird man für einen Gentleman gehalten, mit diesem Schuh kann einem das nicht passieren. Eine Firma namens Chelsy stellt sie her, man kann sie bei Amazon und ebay kaufen. Chelsy soll ein wenig nach Chelsea klingen, und es gibt es Vielzahl von italienischen Firmen, die so tun, als seien sie Engländer: W. GibbsHobson’sLobb’s. Und dann gibt es noch Hersteller, die mit ihren Marken das KuK Reich assoziieren möchten, doch Lendvay & Schwarcz (seit 1878 Wien-Budapest-Triest) sind ebenso wenig Wiener wie Feinstes Schuhwerk K&K Platinum – Nach Wiener Tradition. Ein Markenname der ➱Salamander gehört, die Schuhe werden in Italien gefertigt.

Bei Michael Rieckhof gibt es keine Italiener. Da gibt es Crockett & Jones, ➱Kuckelkorn, Ambiorix, Greve und Handmacher. Aber bei Kelly, der den Laden ➱Kelly’s in den siebziger Jahren gründete, gab es massenhaft Italiener. Magli, Moreschi, Gravati, Fratelli Rossetti und wie sie alle hießen, das war ja durchaus Qualität, und dafür stehen diese Firmennamen heute immer noch. Manche Marken sind offensichtlich verschwunden, wie Verbano (Calzature di Lusso), von denen ich einige sehr schöne Schuhe hatte.

Kelly fand immer neue Marken und interessante Sachen. Er hieß natürlich nicht Kelly, das war nur sein Spitzname. Weil er so gut tanzen konnte wie Gene Kelly. Seine Tochter hat ihn mal in London ins Annabel’s geschleppt, da hat er den ganzen Abend mit Prinzessin Diana getanzt. Die war ja sowas von glücklich, dass da mal jemand war, der richtig tanzen konnte und ihr nicht immer auf die Füße trat. Hat er mir erzählt, er war ein großer Geschichtenerzähler. Nicht alle seine Geschichten waren wahr, aber ich glaube, dass diese stimmt. Dies ist natürlich nicht Kelly, das ist ➱Michael Caine mit seiner Gattin im Annabel’s.

In den siebziger Jahren eroberten die Italiener auch London. Man sollte meinen, Schuhe nach London zu bringen, sei so etwas, wie Eulen nach Athen zu tragen. Aber dies waren andere Schuhe als die, die man bei den altehrwürdigen Londoner Schuhmachern kaufen konnte. Zum Beispiel nahm ein bürgerlich-seriöser, aber ein wenig schlafmütziger Laden wie Russell & Bromley Italiener wie Bruno Magli und Moreschi (oder deren Zweitmarke Stemar) ins Angebot und war plötzlich angesagt. Die Vorhut ist wahrscheinlich Kurt Geiger gewesen (der den größten Teil seiner Schuhe aus Italien bezog), der in den ➱Swinging Sixties nach London gekommen war. Und der 2013 mit diesem Modell Belgravia sein fünfzigjähriges Jubiläum feierte (jetzt gibt es hier doch noch einige Damenschuhe zu sehen).

Im stilbildenden Sloane Ranger Handbook wird Russell & Bromley auch erwähnt. Und vor allem Gucci: Guccis. Eternal because perfect. How clever of Mr. Gucci to provide decorated shoes for gentlemen. The ones with the red and green stripe look regimental, and they all look equine because of the snaffle. Henry [der typische Sloane Ranger] would also accept reasonable look-alikes from Russell & Bromley. (Low-profile Sloanes wear black mocassins with some discreet metal across the instep.) Sie können auf diesem Bild den typischen Sloane Ranger mit Gucci loafers sehen.

Ein Problem, das man mit italienischen Schuhen haben kann, sind die Größen. Man hat sich daran gewöhnt, dass amerikanische Größen nicht europäischen Größen entsprechen und auch zwischen Engländern und Kontinentaleuropäern gibt es leichte Unterschiede. Bei manchen Italienern sind Größen Glückssache (man kennt das aus der Herrenkonfektion). Kaufen Sie sich nie ein Paar Santoni (die in den letzten Jahren angesagt sind), wenn Sie sie nicht vorher anprobiert haben!

Mein Flirt mit italienischen Schuhen datiert aus den siebziger Jahren. Ich hatte mal ein Paar toller schwarzer Chelsea Boots von Lario. Aus der Zeit der ➱Chelsea Boots ist noch einer von Dario Dodoni übriggeblieben. Der mal einen italienischen Mode Oscar bekommen hat, steht auf jeden Fall auf dem Etikett. Mein einziger italienischer Schuh (neben dem Ferragamo Tramezza) ist jetzt ein brauner Derby von Stefano Branchini, wunderbares Leder, das mit jedem Putzen sein Aussehen verändert. Patina und Antik Finish sind im Augenblick ein Hit. Da werden aus Schuhen kleine ➱Kunstwerke. Wenn Sie sich nicht selbst mit unterschiedlichen ➱Schuhcremes an die Sache trauen (oder ihren Diener wie ➱Beau Brummell die Schuhe mit Champagner putzen lassen), dann sollten Sie einmal Paulus Bolten kontaktieren. Oder sich dieses Do it Yourself ➱Video anschauen.

Der Stefano Branchini Schuh hat einen schönen, schmalen Leisten (das kann man hier sehen). Der Leisten ist allerdings ein Problem, nicht nur bei Branchini: vielen Käufern werden italienische Schuhe mit solchem Leisten (mit einem extrem schmalen fiddleback) nicht passen. Man kann versuchen, das passend zu machen, aber Sie wollen ja nicht, dass die Tauben Rucke di guh, Blut ist im Schuh rufen.

Und da wir bei Problemen sind, möchte ich doch mal eben zwei Sätze aus dem Buch Eisenherzbriefe des Dichters Gerhard Falkner zitieren. Der schrieb 1986: Neue deutsche Literatur zu lesen ist der gleiche Unfug, wie italienische Schuhe zu kaufen. Das hält ja alles bloß ein paar Monate. Den Ruf haben sie nun mal. Weil viel geklebt ist, bestenfalls im Blake Rapid Verfahren genäht. Meine Stefano Branchini wohl nicht, da schwört mir die Firma, dass das Handarbeit ist. Das handmade oder fatte a mano schreiben sie ja alle drauf.

So sehr mir das manchmal gefällt, solch einen scharfen Hecht (wie mein Schuhmacher sich ausdrückte) zu tragen, manchmal komme ich mir damit ein wenig unseriös vor. Und dann sind wieder mal für ein paar Tage die Engländer, Wiener oder Budapester dran. Ich hatte, als ich diesen Post schrieb, keinerlei Bedenken, nebenbei mal eben bei ebay auf einen Schuh zu bieten. Keinen Italiener. Eine Marke, von der ich noch nie gehört hatte. Vintage, aber im erstklassigen Zustand (im oberen Absatz). Und englisch! Hat 27 Euro gekostet, dagegen war der handgenähte Haderer mit 29 Euro vor Wochen richtig teuer. Sieht gegenüber den rattenscharfen Italienern ein wenig rustikal aus, ist aber von traumhafter Qualität. Wenn ich mal einen Silvano Lattanzi für 27 oder 29 Euro sehe, würde ich den auch kaufen.

Vielleicht kann man diesen Schuh auch zu den Italienern zählen, obgleich er aus Budapest kommt. Dann besäße ich noch einen dritten  Italiener. Sieht sehr nach dem chisel toe von Roberto Ugolini aus, und dieser Eindruck trügt nicht. Denn den U-Leisten von Laszlo Vass hat Ugolini entworfen (das U steht deshalb auch für Ugolini). Die Zusammenarbeit mit Ugolini war etwas schwierig, der Florentiner war der Meinung, dass die Schuster von Vass nicht das Niveau seiner Schuhmacher erreichten. Das hörte man in Budapest nicht so gerne.

Laszlo Vass war nicht ganz allein auf diese Idee gekommen, seine gemütlichen Peter-Leisten gegen diesen Leisten zu tauschen, für den man beinahe einen Waffenschein braucht. Dahinter standen die Japaner. Mit viel japanischem Geld: As a result of our cooperation with Roberto Ugolini, a shoe craftsman from Florence, and based on new designer impulses and on demands of our customers, we have created a new, Italian style range of lasts and model collection within our existing classic models and last types. The foundation of the cooperation was provided by an order received from the Isetan company in Tokyo, which intended to expand its shoe collection with a high-quality product that combines the shoe craftsman tradition – which is gradually fading away all over the world – with a dynamic Italian design. To their honour, we have named our new ‘Japanese’ lasts ‘U – Ugolini’ for square toe shoes, and ‘F – Firenze’ for round toe shoes. Ich nehme mal an, dass die Japaner diese in der Zusammenarbeit als Roberto Ugolini (made by Vass) verticken. Es ist viel Hype im Internet um dieses neue Modell. Mein ältester Schuh von Mack James hat übrigens genau den gleichen Leisten, und die brauchten damals dafür keinen Roberto Ugolini.

Es gibt ➱hier eine Liste, die einen recht guten Überblick über die italienischen Firmen bietet. Urban Buchmann stellt auf seiner ➱Liste auch zahlreiche Italiener vor. Und der Blog ➱Gentleman’s Gazette hat viele italienische Schuhmacher an ihrem Arbeitsplatz besucht. Die schöne Seite ➱Parisian Gentleman weiß auch schon, was im nächsten Jahr auf die Herren zukommt. In diesem Blog steht eine ganze Menge zum Thema Schuhe, wenn Sie zu dem Post ➱Schuhe aus Portugal gehen, finden Sie da Links zu all den Posts. Und natürlich ist das hier nicht vollständig. Giorgione (vom Blog gehölzbalkon) bemängelt zu Recht, dass hier Bontoni fehlt. Wenn Sie einen Blick auf deren Schuhe werfen wollen, dann gehen Sie doch einmal auf diese Seite.

Der französische Schriftsteller, Philosoph und Literaturkritiker Roland Barthes wurde heute vor hundert Jahren geboren. Sein Werk nimmt viel Platz in meinen Regalen ein, er hat mich mit seinem wilden Denken sicherlich beeinflusst. Vor allem mit seiner Methode in den Mythen des Alltags, aus kleinen Dingen große Sachen zu machen. Wie in seinem wunderbaren Essay über den Citroen DS, der in dem Post ➱Göttin schon erwähnt wird. Dort hatte ich schon einmal dieses Bild hingestellt, es ist ein Photo, das ich mag. Barthes, der mit dem kleinen Buch Die helle Kammer auch über Photographie geschrieben hat, wird es wohl gemocht haben. Es ist eine gewisse französische Nonchalance in diesem Bild, diese lässige Haltung mit der Gauloise im Mundwinkel. Französische Philosophen müssen offensichtlich rauchen, so wie ➱Albert Camus auf dem berühmten Photo von Cartier-Bresson. Oder Sartre im Nebel auf dem Pont des Arts.

Doch vielleicht hat er das Bild nicht gemocht, vielleicht gelten die Sätze aus Über mich selbstJedes Bild von ihm selbst ist ihm unerträglich, er leidet darunter, genannt zu werden. Er meint, daß die Vollkommenheit einer menschlichen Beziehung auf der Vakanz von Bildern beruht… Aber warum füllt er dann das Buch mit  Photographien von sich selbst? Auch das hier ist Roland Barthes, aber wenn uns das Bild unerträglich erscheint, dann müssen wir dazu sagen, dass dieser Dandy im Morgenmantel in Wirklichkeit ein lungenkranker Patient im Sanatorium ist. Photographien beschäftigten ihn immer wieder, von seinem Japan Buch bis zu Die helle Kammer, seinem letzten Buch. Am Tag seines Todes war er dabei, eine Vorlesung über Proust und die Photographie vorbereiten.

Ich weiß nicht, ob ➱Roland Barthes wirklich ein Philosoph ist. Das Cambridge Dictionary of Philosophy kennt ihn nicht, kennt aber seinen Landsmann Gaston Bachelard. Der übrigens mal als Briefträger angefangen hat, bevor er Philosoph wurde. Er ist der einzige Philosoph in der Geschichte der Philosophie, der durch Abtasten eines Briefes sein Gewicht bestimmen konnte. Im übrigen ist er ein Denker, der nicht ohne Einfluss auf Barthes war. Barthes hatte ihn während des Krieges entdeckt, als er wegen seiner Tuberkulose im Sanatorium in Saint-Hilaire-du-Touvet war. Wenn Barthes vielleicht nicht im strengen Sinne ein Philosoph ist, so muss man doch sagen, dass er in dem seit den sechziger Jahren wuchernden Gestrüpp von Semiotik, Semiologie, Strukturalismus und Poststrukturalismus einer der originellsten Denker ist.

Richard David Precht soll angeblich ein Philosoph sein, er hat gerade wieder ein dickes Buch geschrieben. Aber er schreibt natürlich nicht über die Werbung, die Photographie, den Eiffelturm oder die Römer im Film. Für Barthes ist die Welt nicht alles, was der Fall ist, die Welt ist ein Zeichensystem, das wir decodieren müssen. Precht hat einen Doktortitel, weil er eine Dissertation über Robert Musils ➱Roman Der Mann ohne Eigenschaften geschrieben hat (der Post über Musils amerikanische ➱Übersetzerin kränkelte lange vor sich hin, hat inzwischen aber doch viele Leser gefunden). Roland Barthes hat keinen Doktortitel. Er hätte es gerne gehabt, wenn Claude Lévi-Strauss sein Manuskript von Die Sprache der Mode als Dissertation angenommen hätte, aber der hat ihm diesen Gefallen nicht getan.

Wenn man Barthes lesen will, dann sollte man mit den Mythen des Alltags anfangen und einen weiten Bogen um Die Sprache der Mode machen. Das hat auch der Rezensent bei Amazon gemerkt: OK. Selbst schuld. Nach den ersten 50 Seiten musste ich es einsehen: Es ist ein Buch von einem „drögen“ Denker, der die Welt der Mode intellektualisieren wollte, um vielleicht ihren Respekt in der Geisteswelt zu erhöhen. Es gibt sicherlich ein paar Leute, die das brauchen… Gabriele Röttger-Denker, die in der vorzüglichen Reihe des Junius Verlags den Band Roland Barthes zur Einführung geschrieben hat, drückt sich da etwas höflicher aus: Dieses von Barthes mit viel Eifer und Zeitaufwand verfaßte Buch über die Mode verlockt — nicht zuletzt wegen des bemühten Bestrebens nach Vollständigkeit — nicht zur durchgängigen Lektüre.

Roland Barthes und Mode kommen gerade wieder zusammen, die Pariser Firma Hermès hat für 850€ ein ihm gewidmetes Seidentuch im Angebot: Hermès, the French luxury brand, has paid homage to the philosopher and semiotician Roland Barthes on the centennial of his birth, this November, by crafting a limited-edition silk scarf printed with a motif inspired by his book “A Lover’s Discourse: Fragments” (1977). How would Barthes read this object? He read everything, after all—not just books. He taught us to see the whole world as a helix of readable signs, and even after his premature vehicular death, in 1980, his students retained a set of instructions for deciphering the cultural cosmos. How would he have read the choice to emblazon his memory across a silk carré? What would he have made of this bourgeoisification of his thought? And what would he have had to say about the scarf’s eight-hundred-and-ninety-five-euro price tag? Ja, das hätte sich Dietrich Hermes, der Sohn eines Kneipenwirts aus Krefeld, auch nicht träumen lassen, was aus seiner Firma wird.

Bedeutender als Die Sprache der Mode ist für Gabriele Röttger-Denker das Buch über Michelet: Barthes betont des öfteren, wie wichtig für ihn sein Michelet-Buch war — neben dem Buch über Japan (L’empire des signes). Ich denke, Barthes hat in seinem Spätwerk die Spur Michelets aufgenommen. Michelet durch die Geschichte Frankreichs ‚graste‘ und ’schwamm‘, so schmiegt sich der Körper von Barthes an den Signifikanten, probiert und schmeckt ihn: in Essays, Haikus, Zeichnungen und Bildern, in Dictées, in Romanen ohne Helden. Man merkt es der Autorin an: der Stil von Barthes färbt schon auf sie ab, wenn sich  der Körper von Barthes an den Signifikanten schmiegt.

Barthes‘ Buch Michelet par lui-même ist zuerst einmal eine Blütenlese besonders poetischer Stellen aus dem Werk des französischen Historikers Jules Michelet. Die dann von Barthes essayistisch kommentiert werden, als wären es musikalische Variationen. Nicht so etwas Strenges, Logisches wie die ➱Goldberg Variationen. Roland Barthes spielt hier eher so etwas wie Free Jazz. Er probiert in diesem Buch das wilde Denken, das sein Spätwerk kennzeichnet, schon einmal aus. Sartre war übrigens auch ein Amateurpianist, der französische Philosoph François Noudelmann hat 2012 ein Buch über das Piano und die Philosophen geschrieben. Wir warten noch auf ein Buch über den Tabak und die Philosophie.

Es kann übrigens sein, dass Barthes‘ Michelet, das nur wenige Monate nach seinem ersten Werk Le degré zéro de l’écriture (Am Nullpunkt der Literatur) erschienen war, von Gaston Bachelard beeinflusst wurde. Denn die Interpretation von Michelets La mer in Bachelards L’Eau et Les Rêves hatte Barthes sehr beeindruckt. Doch auch Bachelard war von Barthes beeindruckt: Bei Ihnen wird aus dem Detail Tiefe. Mit Ihrer Methode der schlaglichtartigen Beleuchtung dringen Sie vor bis in die Tiefe des Seins. Sie benötigen nicht den Lauf der Geschichte, um die Kontinuität des Seins zu erfassen, schrieb er ihm. Das Photo zeigt Barthes 1977 bei seiner Antrittsvorlesung im Collège de France, da ist er nicht so cool wie auf dem Photo ganz oben.

Als Roland Barthes seine ersten Bücher schreibt, sitzt Gaston Bachelard zusammen mit seinem Kollegen Jean Guitton in einer Prüfungskommission der Sorbonne. Es geht um die Zulassung von Rentnern für die Vorlesungen im Fach Philosophie, man ist an der Sorbonne stolz, so etwas eingerichtet zu haben. Eine ältere Dame kann in der Prüfung kein Wort herausbringen, sie fängt an zu weinen. Bachelard setzt sich zu ihr und fängt auch an zu weinen. Am Ende der Prüfung, in der nur geweint und nicht geprüft wird, sagt Bachelard zu Guitton: Nous allons lui mettre dix et demi, c’est ce que nous méritons tous. Ich finde diese Geschichte wunderbar. Französische Philosophen sind eben anders, sie rauchen im Hörsaal, spielen Klavier und weinen in der Prüfung.

Barthes träumte davon, einen Roman zu schreiben. Einen Titel hatte er schon, Vita Nova sollte das Buch heißen. Aber weil es für den homme des lettres nicht so leicht ist mit dem Erzählkunstwerk, hält er erst einmal über die Schwierigkeiten vom Schreiben-Wollen zum Schreiben-Können eine Vorlesung. Die Mitschrift erschien lange nach seinem Tod unter dem Titel La Préparation du roman I et II. Notes de cours et de séminaires au Collège de France, 1978-1979 et 1979-1980. Sie ist vor drei Jahren bei Suhrkamp unter dem Titel Die Vorbereitung des Romans erschienen.

Zum Schreiben des Romans wird Roland Barthes nicht mehr kommen. Am 25. Februar 1980 wird er in der Rue des Écoles (vor der Hausnummer 44) von einem kleinen Laster mit belgischem Nummernschild angefahren – es wäre jetzt von besonderer Tragik gewesen, wenn er von einer Citroen Déesse angefahren worden wäre. Er kommt sofort in das Krankenhaus Pitié-Salpêtrière, es sieht alles zuerst nicht so schlimm aus, aber dann stirbt er vier Wochen später in dem Universitätskrankenhaus. In Colson Whiteheads Roman John Henry Days witzelt ein Professor namens Godfrey Frank:

Roland Barthes got hit by a truck

That’s a signifier you can’t duck

Life’s an open text

From cradle to death.

Dieser Godfrey Frank ist ein Poststrukturalist, ein akademischer Windbeutel, über den es im Roman heißt: Frank shambled through the media like acreature from a science fiction film, a monster whose mutant gigantism he could doubtless locate in nuclearage anxiety. Solche Figuren hat es in der akademischen Welt seit den sixties immer wieder gegeben. Man konnte sich schnell profilieren, wenn man ein bisschen Barthes (oder Foucault, Lacan oder Derrida) aufsagte.

1967 hatte Barthes über den Tod des Autors geschrieben, womit er natürlich nicht sich meinte. Der Aufsatz war letztlich gegen eine allzu biographische Interpretation der Werke eines Autors (ein Ansatz, der in Frankreich gang und gebe ist) gerichtet. Nach der Veröffentlichung von La mort de l’auteur kursierten in Paris Witze, dass Barthes jetzt in den Metro betteln würde, weil ihm seine Verlage keine Tantiemen mehr bezahlen, der Autor sei ja tot.

Roland Barthes hat mein Leben begleitet, ich lese ihn (auf deutsch und englisch) seit einem halben Jahrhundert. Ich verstehe nicht alles von ihm, und ich bin auch kein großer Freund von Strukturalismus und Poststrukturalismus. Was daran liegt, dass ich an der Uni viele kannte, die sich mit diesen Schlagworten ihre Karriere gebastelt hatten. Es ist erstaunlich, wie viele akademische Dünnbrettbohrer dank der französischen Meisterdenker in feste Anstellungen gekommen sind. Barthes selbst erhielt erst wenige Jahre vor seinem Tod seine Stelle am Collège de France. Die Fakultätssitzungen fand er sterbenslangweilig.

Mit Hilfe der Askese soll es manchen Buddhisten gelingen, eine ganze Landschaft aus einer Saubohne herauszulesen. Das hätten die ersten, die Erzählungen analysierten, gerne gekonnt: alle Erzählungen der Welt (sie sind Legion) aus einer einzigen Struktur herauszulesen: wir werden, so dachten sie, jeder Erzählung ihr Modell entnehmen und aus diesen Modellen werden wir eine große Erzählstruktur machen, die wir dann (zum Zwecke der Verifizierung) auf jede beliebige Erzählung anwenden: eine ermüdende (»Ohne Fleiß kein Preis, Geduld ist der Weg der Wissenschaft«) und schließlich auch eine unerwünschte Aufgabe, denn der Text verliert dabei seine Einmaligkeit, seine Differenz zu anderen Texten. So beginnt sein Buch S/Z. Es ist ein wunderbarer Anfang. Ich weiß nicht, wie S/Z ausgeht, ich habe es nie zu Ende gelesen. Ich schmiege mich da nicht an den Text an, ich schmiege mich an mein Kopfkissen. Und schlafe nach wenigen Seiten ein, deshalb liegt das Buch auch seit vielen Jahren neben meinem Bett.

Er mochte die Biographen nicht (mittlerweile gibt es eine 720-seitige Biographie von Tiphaine Samoyault): wäre ich Schriftsteller und tot, wie sehr würde ich mich freuen, wenn mein Leben sich dank eines freundlichen und unbekümmerten Biographen auf ein paar Details, einige Vorlieben und Neigungen, sagen wir auf ›Biographeme‹, reduzieren würde. Als er sechzig war, legte er dann selbst eine Art ➱Autobiographie vor. Natürlich keine in der Art von ➱Augustinus oder ➱Benjamin Franklin, es war wieder ein typisches Barthes Produkt: er versah das Familienalbum mit Kommentaren. Ein Text ist nicht eine Linie aus Worten, die eine einzige, theologische Bedeutung entfaltet … Ein Text ist vielmehr ein mehrdimensionaler Raum, in dem eine Vielzahl von Geschriebenem, nichts davon original, zusammenfällt und sich vermischt. Ein Text ist ein Gewebe aus Zitaten, welche aus den zahllosen Zentren der Kultur gezogen werden. Und alles was er in Über mich selbst über sich sagte (hier als siebzehnjähriger junger Herr), sagte er natürlich nicht über Roland Barthes: Tout ceci doit être considéré comme dit par un personnage de roman.

So fragmentarisch und skizzenhaft das Ganze ist, es ist ein Weg, um Barthes näherzukommen. Und deshalb wäre Über mich selbst auch eine Leseempfehlung. Eine weitere Empfehlung wäre der von Susan Sontag herausgegebene Roland Barthes Reader, über den Newsweek schrieb: At last, with A Barthes Reader, we have a sort of Michelin guide to one of the most beguiling minds of our era. Smartly introduced by Susan Sontag, the Reader samples Barthes‘ achievement over three decades.

 

A spectre is haunting Europe. Mit diesen Worten beginnt Karl Marx sein Kommunistisches Manifest. Auf jeden Fall in der englischen Ausgabe. Das Gespenst, das jetzt in Europa umgeht, konnte er noch nicht kennen. Es heißt auch spectre, hat aber nix mit dem Kommunismus zu tun. Was ist das nur wieder für ein Rummel! Wir streichen mal eben das Wort Rummel und sagen Hype. Hype klingt immer modern, so richtig with it. Wie die Slimline Anzüge, die Daniel Craig trägt. Die kommen von Tom Ford. Nicht mehr von Anthony Sinclair, wie die Anzüge Sean Connerys. Immerhin kommen die Schuhe noch aus England, von Crockett und Jones. Kann man nichts gegen sagen, aber wenn man wirklich Maßstäbe setzen wollte, dann sollten die Schuhe schon von Gaziano & Girling oder Edward Green kommen. Und die Anzüge auf keinen Fall von Tom Ford. Ian Fleming trug Maßschuhe von Peal (lesen Sie ➱hier mehr), aber an den Stil kommt man nicht wieder heran.

Sie merken schon, wohin die letzten Sätze führen: das Ganze ist wieder ein Fall für das product placement, ein gigantischer Werbespot (wie schon der Film ➱Kingsman). Selbst der Herrenausstatter Kelly’s in der Dänischen Straße hat sein Schaufenster mit solchen Bildern verziert, sieht aus wie Halloween, soll aber eine Assoziation zu Spectre sein. James Bond hat sich von einem Londoner Gentleman, einem Clubland Hero, zu einer Comic Strip Figur gewandelt. Der Literaturwissenschaftler Northrop Frye hat in seinem Buch Anatomy of Criticism die Literaturform der romance so definiert:

The essential element of the plot in romance is adventure, which means that romance is naturally a sequential and processional form… At its most naive it is an endless form in which a central character who never develops or ages goes through one adventure after another until the author himself collapses. We see this form in comic-strips where the central character persists for years in a state of refrigerated deathlessness. Soll ich die letzten Sätze wiederholen? Und vielleicht noch fett setzen?

Die Formel der James Bond Geschichten ist sehr einfach, ➱Strukturalisten brauchen nur einen kleinen Teil der Wandtafel, um sie aufzuzeichnen. Das, was Roland Barthes hier zeigt, ist zwar nicht die Formel, aber viel länger wäre sie auch nicht. Es ist übrigens eine Formel, die man auch auf Beowulf und Asterix und Obelix anwenden kann: The essential element of the plot in romance is adventure, which means that romance is naturally a sequential and processional form. Am Anfang die heile Welt, dann die Störung der Ordnung, man braucht einen Retter. Der Beste der Besten wird zu seinem König (zu seinem Geheimdienstchef oder seinem Druiden) gerufen. Er bekommt einen Auftrag. Und hat ein Abenteuer nach dem anderen. Mit Drachen, mit Römern, mit Dr No. Und mit schönen Frauen (es ist viel Erotik in ➱Sir Gawain and the Green Knight). Am Ende ist das Böse besiegt, man feiert in Camelot, im Londoner Club oder in einem kleinen gallischen Dorf (mit dem Verzehr von sangliers). Mit einfachen Strukturen kann man Leser und Zuschauer begeistern. Mit einer einfachen Ideologie, die aus der Zeit des Kalten Kriegs stammt, auch.

Vor über vierzig Jahren machte man sich an der Uni in der Englischen Philologie zum Außenseiter, wenn man über James Bond schrieb. Damals hielt sich die 007 Hysterie ja glücklicherweise noch halbwegs in Grenzen. Die Wiederbelebung von James Bond, den wir als Sean Connery kannten, durch Roger Moore hatte gerade stattgefunden. Aber mit dem Rolls Royce Vertreter ➱George Lazenby und The Saint Roger Moore war Bond sowieso tot. Jetzt kam das Jahrzehnt der Quarzuhren und des schlechten Geschmacks. Und der schlechten Bond Filme.

Doch die Filmindustrie beweist uns, dass man selbst mit dem flogging a dead horse immer noch glänzende Geschäfte machen kann. Die Familie ➱Broccoli besitzt mit den Rechten an den Romanen eine Maschine zum Gelddrucken. War man in den siebziger Jahren ein Außenseiter, wenn man über Bond (und seine vielen literarischen Kollegen und Vorläufer) schrieb, dann ist man heute ein Außenseiter, wenn man nicht über James Bond schreibt. Wie ich.

Alles muss in den Bond Filmen sensationeller sein als vorher: die Produktionskosten höher, die Autos schneller, die Frauen schöner, die Bösewichte böser. Diesmal kommt der Bösewicht aus Östereich und heißt Ernst Stavro Blofeld. Den ➱Namen hatte er schon mal, wir haben Donald Pleasance (und all die anderen Blofelds) nicht vergessen. Diese ganzen master criminals gehen einem ja langsam auf den Keks.

Arthur Conan Doyle hätte gut daran getan, Dr Moriarty (dessen Modell vielleicht ein gewisser Adam Worth war) in den Reichenbachfällen sterben zu lassen. Aber das Böse ist immer und überall, und so sind die Bösewichte heute in beinahe jeder TV Serie zu finden. Von Red John in The Mentalist bis zu den Bösewichten in Navy CIS, das ist schon etwas abgeschmackt. Als sie noch Dr Fu Manchu (die gelbe Gefahr), Carl Peterson (der Gegenspieler von Bulldog Drummond) oder Fantomas (der von dem Regisseur Louis de Feuillade zwischen 1908 und 1925 fünfhundertundzwei Mal auf die Leinwand gebracht wurde) hießen, waren master criminals irgendwie etwas Besonderes, heute sind die Nachfahren des ➱gothic villain eigentlich nur noch komisch. Und deplaziert.

August Gottlieb Meißner, der die Kriminal-Geschichte in der Literatur begründete (und die Leser dazu brachte, sich dem Verbrecher zuzuwenden), hat da etwas zu verantworten. Er hatte für seine Geschichten aber bessere Titel als dies simple Spectre. Unübertroffen bleibt sein Titel Blutschänder, Feuerleger und Mörder zugleich, den Gesetzen nach, und doch ein Jüngling von edler Seele. Wenn Sie mehr über die Geburtsstunde des Verbrechers in der Literatur wissen wollen, kann ich den langen Aufsatz von Marianne Willems ➱hier empfehlen.

Der Krimiautor R. Austin Freeman hat die Welt von James Bond nicht mehr kennengelernt, aber was er 1924 in seinem ➱Artikel The Art of the Detective Story über den Verfall der Gattung sagte, das kann man leicht heute auf das beziehen, was aus Flemings James Bond geworden ist: A widely prevailing error is that a detective story needs to be highly sensational. It tends to be confused with the mere crime story, in which the incidents – tragic, horrible, even repulsive – form the actual theme, and the quality aimed at is horror – crude and pungent sensationalism. Here the writer’s object is to make the reader’s flesh creep; and since that reader has probably, by a course of similar reading, acquired a somewhat extreme degree of obtuseness, the violence of the means has to be progressively increased in proportion to the insensitiveness of the subject. The sportsman in the juvenile verse sings:


I shoot the hippopotamus 

with bullets made of platinum
Because if I use leaden ones 

his hide is sure to flatten ‚em:

and that, in effect, is the position of the purveyor of gross sensationalism. His purpose is, at all costs, to penetrate his reader’s mental epidermis, to the density of which he must needs adjust the weight and velocity of his literary projectile.

Ich stelle hier heute (in etwas überarbeiteter Form) noch einmal etwas hin, was ich am fünfzigsten Jahrestag des Kinostarts von Goldfinger geschrieben habe. Etwas Besseres fällt mir zum deutschen Kinostart von Spectre eh nicht ein. Außer dem Hinweis, dass James Bond in sechs Tagen fünfundneunzig Jahre alt wird. Nie war der Satz von Northrop Frye the central character persists for years in a state of refrigerated deathlessness so wahr wie heute.


Goldfinger, he’s the man
The man with the midas touch
A spider’s touch
Such a cold finger
Beckons you to enter his web of sin
But don’t go in

Heute wohnen viele so, aber wenn man in der Willow Road im feinen Hampstead wohnt, dann hasst man es, dass da alte Backsteinhäuser abgerissen werden, um einem solchen Neubau zu weichen. In den fünfziger Jahren baute jeder so, aber dieses Haus, wurde schon 1939 gebaut. Von einem zugezogenen Ungarn namens Ernő Goldfinger, der heute aus unerfindlichen Gründen als Englands bedeutendster Vertreter der Moderne gilt. Seine Bauten mochte niemand leiden (sogar ein Vorkämpfer der Moderne wie ➱Sir Nikolaus Pevsner äußert sich sehr zurückhaltend), den Menschen Ernő Goldfinger mochten noch weniger Leute leiden.

Er ist schon einmal in diesem Blog erwähnt worden. Nicht im Zusammenhang mit dem Kunsthistoriker ➱Nikolaus Pevsner oder der englischen Architektur (seine Bauten fallen unter den schönen Begriff Brutalist Architecture), sondern weil einer seiner Nachbarn in Hampstead (der ihn nicht ausstehen konnte) ihn in einen Roman hinein geschrieben hat.

In dem Post ➱Agentenmode aus dem Jahre 2010 war hier zu lesen: Den letzten Namen [Goldfinger] hat sich der Schöpfer von James Bond mit besonderer Süffisanz ausgesucht. Er hatte nämlich einen Nachbarn namens Goldfinger, Ernö Goldfinger. Der war ein berühmter Architekt, aber Fleming fand, das dessen modernistisches Haus die ganze Londoner Vorstadt verschandelte (heute steht das Haus in der Willow Road unter Denkmalschutz). Und so wurde der ungarische Architekt zu einer Romanfigur.

Er hat noch jahrelang unter seinem Namen gelitten, ständige Telephonanrufe von Leuten, die sich als Bond, James Bond meldeten. Oder es sangen ihm Scherzbolde Shirley Basseys ‚Goldfinger‘ ins Ohr. Goldfinger will den Verlag von Fleming verklagen, aber er zieht seine Klage zurück. Woraufhin ihm der Jonathan Cape Verlag die Kosten der Rechtsanwälte erstattet und ihm sechs Exemplare von ‚Goldfinger‘ schenkt. Ian Fleming hatte angedroht, bei der zweiten Auflage die Romanfigur statt Goldfinger ‚Goldprick‘ zu nennen. Das wäre noch komischer geworden.

Das Photo im oberen Absatz zeigt Ernő Goldfinger vor einem seiner Bauwerke; die Kinder, die in dem Trellick Tower Hochhaus wohnen, sehen nicht unbedingt glücklich aus. Vertical slums replaced horizontal slums, hat Harry Phibbs vom Guardian über das inzwischen unter Denkmalschutz stehende Bauwerk geschrieben. Die englische Presse ist nie sehr nett mit Ernő Goldfinger umgegangen, hat auch immer wieder genüsslich kolportiert, dass nach Ansicht der meisten Briten Goldfinger Selbstmord begangen habe, indem er vom Trellick Tower Hochhaus gesprungen sei. Solche urban myths halten sich lange. Der emigrierte ungarische Kommunist wird immer mit diesem Herrn verwechselt werden, den James Bond auf einem Golfplatz trifft.

Da ich gerade einen älteren Post zitiert habe, möchte ich noch etwas aus dem Post ➱Bond Girl zitieren, nämlich das schöne Gedicht von ➱Fiona Pitt-Kethley, das man gar nicht häufig genug zitieren kann. Es heißt Bond Girls (und findet sich auch in dem Post ➱Britt):

Back in my extra days, someone once swore
she’d seen me in the latest James Bond film.

I tried to tell her that they only hired
the real glamorous leggy types for that.
(My usual casting was ‚a passer-by‘.)

I’ve passed the lot in Pinewood Studios.
It’s factory-like, grey aluminium, vast
and always closed. Presumably that’s where
they smash up all the speedboats, cars and bikes
we jealous viewers never could afford.

I quite enjoyed the books. Ian Fleming wrote well.
I could identify a touch with Bond,
liking to have adventure in my life.
The girls were something else. All that they earned
for being perfect samples of their kind –
Black, Asian, White – blonde, redhead or brunette,
groomed, beauty-parlourised, pleasing in bed,
mixing Martinis that were shaken not stirred
using pearl varnish on their nails not red –
was death. A night (or 2) with 007,
then they were gilded till they could not breathe,
chucked to the sharks, shot, tortured, carried off
or found, floating face downward in a pool.

Das Bild von der vergoldeten Shirley Eaton kriegen wir nie wieder aus unseren Köpfen. Dieses Bild hätten wir gerne wieder aus unseren Köpfen. Aber es geht nicht, das Filmgedächtnis hat es schon gespeichert. Das ist Shirley Eaton in dem Film Doctor in the House, sie ist siebzehn. Aber sie hat schon begriffen, dass man mangelndes schauspielerisches Talent durch Oberweite und offene Blusenknöpfe kompensieren kann. Ein ehernes Gesetz der Filmindustrie, das natürlich auch für alle Filme mit Geheimagenten gilt.

Der junge Mann neben Shirley Eaton ist natürlich Dirk Bogarde (der ➱hier einen langen Post hat). Der, wenn er in der Spionagefilm Parodie Hot enough for June auch mal einen Geheimagenten spielen darf, jemand anderen als Shirley Eaton an seiner Seite hat. Geheimagenten brauchen nun mal Frauen, ganz ohne Weiber geht die Chose nicht. Das Thema der Geheimagenten und ihrer Gespielinnen ist schier unerschöpflich, vielleicht komme ich eines Tages noch darauf zurück.

Natürlich wissen wir, dass die Frau in dem Roman Goldfinger den Namen Pussy Galore hat. Dazu sage ich jetzt lieber gar nichts. Sie wird ➱hier natürlich schon erwähnt. Das gleiche gilt für ➱Ursula Andress (Undress?), ➱Karin Dor und ➱Britt Ekland. Dass die Kritiker die Romanfigur James Bond zu einem sex maniac gemacht haben, sei völlig falsch, sagt der englische Schriftsteller Kingsley Amis (der auch unter dem Pseudonym Robert Marham einen James Bond Roman schrieb):

Not once, in the twelve novels and eight stories, does Bond or his creator come anywhere near judging a character by his or her social standing. We hear a good deal about high living and the elegant scene at Blades Club, but that is a different matter; at worst, harmless vulgarity. The practice of fornication in itself is not enough, these days, to brand a man as a monster, but then perhaps Bond goes at it too hard, weaves a compensation-fantasy for author and reader, is on a wish-fulfilment deal and all that.

I myself could see no harm in this even if it were true, but it is not. One girl per trip, Bond’s average, is not excessive for a personable heterosexual bachelor, and his powers of performance would not rate the briefest of footnotes in Kinsey. It is true that all the girls are pretty and put up little resistance to Bond’s advances, and this may help to explain his unpopularity with those critics who find it difficult to seduce even very ugly girls. Die Passage findet sich in ➱Kingsley Amis‚ amüsantem Buch The James Bond Dossier. Einer ein klein wenig ironischen Untersuchung der Flemingschen Romanfigur.

Die ja außer ihrem Namen nichts mehr mit jenem James Bond gemein hat, der heute in aller Munde ist. Und der zur Karikatur einer Figur geworden ist, die vielleicht schon selbst eine Karikatur war. Schon der James Bond der Kritiker der sechziger Jahre hatte wenig mit dem 007 der Romane gemein: The curious momentary suspicion one feels from time to time, that the critics have somehow got hold of a completely different version of the work one has been reading, has never invaded my mind more powerfully than in the case of Ian Fleming and his critics, sagt Amis.

Und damit meinte er nicht die deutschen Kritiker, die voller Moral- und Ideologiekritik waren, sondern seine eigenen Landsleute. Wie zum Beispiel Malcolm Muggeridge, der Fleming als Etonian Mickey Spillane bezeichnete und über James Bond so nette Dinge sagte wie: In so far as one can focus on to so shadowy and unreal a character, he is utterly despicable: obsequious to his superiors, pretentious in his tastes, callous and brutal in his ways, with strong undertones of sadism, and an unspeakable cad in his relations with women, toward whom sexual appetite represents the only approach. 

Sean Connery war in den ersten Filmen noch eine erkennbare Variation des Romanhelden. Heute ist James Bond Arnold Schwarzenegger in der Verkleidung von Daniel Craig. Wie das Monster von Dr Frankenstein ist die Kunstfigur längst der Kontrolle seines Herrn entwischt. Die Stärke von Fleming liegt in seiner Detailtreue, sagt Amis. Das sagt auch ➱Fleming selbst: I try to write neatly, concisively, vividly, because I think that’s the way to write, I think that approach largely comes from my training as a fast-writing journalist under circumstances in which you damned well have to be neat, correct, concise and vivid. My journalistic training was far more valuable to me than all the English literature education I ever had. My plots are fantastic, while being often based upon truth. They go wildly beyond the probable not, I think, beyond the possible. 

To anchor my fantastic plots I employed the device of using real names of things and places. The constant use of real and familiar names and objects reassures the reader that both he and the writer have their feet on the ground in spite of being involved in a fantastic adventure. That is why I started using the technical device of referring to say, a Ronson lighter, a 41⁄2-litre Bentley with an Amherst-Villiers supercharger, the Ritz Hotel in London, the 21 Club in New York, the exact names of even the smallest details. All of this gives the reader the feeling of feasibility.

Das findet allerdings in den Augen moralisierender Kritiker keine Gnade: Diese Tatsachentreue im Kleinen schafft einen Pseudo-Realismus, der geistig unsauber ist, weil er den Anschein erweckt, auch alle Gewaltakte, Treulosigkeiten, Sexualabenteuer und kitschigen Bilder der Lebewelt müßten nach dem Leben gezeichnet sein, schreibt ein Peter Fischer im Jahre 1969. Für die Kritiker der sechziger Jahre wurde der Marineoffizier im englischen Geheimdienst zu einem Vorwand, schöne Allgemeinplätze zu produzieren: Wenn man Fleming schon reaktionär nennen will, dann nicht deswegen, weil er die Rolle des „Bösen“ mit einem Russen oder Juden besetzt. 

Er ist reaktionär, weil er exzessiv schematisiert. Schematisierung, manichäische Zweiteilung ist immer dogmatisch, intolerant; Demokrat ist, wer die Schemata verwirft und Nuancen anerkennt, Unterscheidungen macht, Widersprüche rechtfertigt. Fleming ist reaktionär, wie im Grunde das Märchen reaktionär ist, jedes Märchen, – er ist der althergebrachte statisch-dogmatische Konservativismus der Märchen und Mythen, die eine elementare Weisheit vermitteln, die durch simples Licht- und Schattenspiel mitgeteilt wird… Wenn Fleming Faschist ist, dann deshalb, weil typisch für den Faschismus seine Unfähigkeit ist, von der Mythologie zur Vernunft fortzuschreiten, seine Tendenz mit Hilfe von Mythen und Fetischen zu herrschen und beherrschen. So Umberto Eco in Der Fall James Bond. Dass der Spionageromane per se eine faschistoide Literaturform ist, hatte ➱Gertrude Himmelfarb für die Romane von John Buchan insinuiert, dessen Held Richard Hannay ja ein Vorläufer von James Bond ist.

Nicht viel an den James Bond Phantasien Ian Flemings war wirklich neu. Wunschfiguren, die mal eben schnell die Welt retten, hatte es schon zuvor gegeben. John Buchans Richard Hannay, Bulldog Drummond, Lemmy Caution und Hubert Bonisseur de la Bath (der Geheimagent OSS 117) waren das auch schon gewesen. Als die ersten James Bond Romane erschienen, konnte man Bond noch als eine Art cultural hero verstehen. Ein englischer Geheimagent zeigte den Großmächten in einer Zeit, als England politisch keine Rolle mehr spielte, dass die Engländer immer noch das Great Game spielen und die Welt retten konnten. Auch wenn man das Empire längst verloren hatte.

Ian Fleming wrote well, heißt es in dem Gedicht Bond Girls. So gut nun auch wieder nicht. Probably the fault about my books is that I don’t take them seriously enough… you after all write „novels of suspense“ – if not sociological studies – whereas my books are straight pillow fantasies of the bang-bang, kiss-kiss variety, vertraute er Raymond Chandler an. In der Welt der pillow fantasies ist die Welt immer bedroht. Muss in letzter Minute gerettet werden. Das Böse ist immer und überall, ich muss die Zeile aus Ba Ba Banküberfall wiederholen. Die Bösewichte sind natürlich keine Engländer, das ist ein Erbe der gothic novel (lesen Sie hier doch den Post ➱Gothick), wo der gothic villain auch nie aus England kommt. Sie mögen sich englisch geben wie Gert Fröbe als Auric Goldfinger, aber der ist in seiner Golfkleidung doch nur eine Karikatur eines englischen Gentleman. Und dann dieser braune Smoking! Die Bösewichte tragen in den Filmen immer seltsame Kleidung, niemals diese zeitlosen Anzüge von Anthony Sinclair wie Sean Connery. Der Kampf gegen das Böse ist in den Ausstattungsfilmen auch ein sartorialer Kampf gegen den schlechten Geschmack.

Arno Schmidt hat einmal über den viktorianischen Roman gesagt, dass da die Nebenfiguren zu Hauptfiguren werden. Ein Satz, der auch für Goldfinger gilt, der nichts ohne Honor Blackman, Harold Sakata (als Oddjob), Tania Mallet und die golddoublierte Shirley Eaton wäre. Angeblich waren die Produzenten Broccoli und Saltzman von Fröbe als Kindsmörder in Es geschah am hellichten Tage begeistert und waren deshalb auf ihn verfallen. Ich fand ihn als Naziverbrecher in ➱Alfred Andersch‘ Die Rote viel eindrucksvoller. Gert Fröbe war später noch einmal im Gespräch. Er sollte als Zwillingsbruder von Auric Goldfinger in Diamonds are Forever mitspielen, aber dann gab man den Gedanken doch auf. Ist auch besser so.

Arno Schmidt, der ja auch einen Erfolgsautor wie ➱Wilkie Collins übersetzte (und auch einen Spionageroman von Ian Flemings Bruder ➱Peter), bringt mich jetzt zu einem kleinen Exkurs. Es hat schon vor dem Auftauchen von James Bond phänomenale Erfolge von Autoren gegeben, deren Bestseller in die alltägliche Wirklichkeit hinein wirkten. Man denke nur an Wilkie Collins‘ Roman The Woman in WhiteIts success on publication was overwhelming. All throughout 1860 The Woman in White was the rage. Cloaks and bonnets, waltzes and quadrilles, were named after her; there was a Woman in White scent and even a hairbrush. Though the reviews were not altogether favourable, eminent men of letters were as delighted by the book as the reading public. Thackeray sat up all night and Mr Gladstone put off a theatre party to finish it. The Prince Consort revelled in it and recommended it to the austere Baron Stockmar, schreibt Maurice Richardson in Vorwort zu der ➱Everyman Ausgabe. All das werden wir bei Fleming eines Tages wieder haben: Mode- und Parfümindustrie und Staatsmänner (wie John F. Kennedy), die nicht aufhören können, diesen Autor zu lesen. Und schlechte Kritiken.

Die Filme retten die Romane Ian Flemings, so groß war der Erfolg der ersten Romane in England nicht. In Deutschland erst recht nicht. So hieß es beim Ullstein Verlag auf dem Buchrücken der deutschen Erstausgabe (Erstmalig in deutscher Sprache! stand vorne drauf): Casino Royale [ist] eine der harten, im amerikanischen Stil geschriebenen, abenteuerlichen Stories, mit denen der englische Autor Ian Fleming sich seinen Platz in der ersten Reihe der beliebtesten Kriminalautoren gesichert hat. Ullstein reichte den Autor übrigens wenig später wegen schlechter Verkaufszahlen an den Scherz Verlag weiter.

In der Tradition des harten amerikanischen Stils hätte sich Fleming auch gerne gesehen: I wanted my hero to be entirely an anonymous instrument and to let the action of the book carry him along. I didn’t believe in the heroic Bulldog Drummond types. I mean, rather, I didn’t believe that they could any longer exist in literature. I wanted this man more or less to follow the pattern of Raymond Chandler’s or Dashiell Hammett’s heroes—believable people, believable heroes. Aber in den sechziger Jahren waren Flemings Romane kalter Kaffee, Englands neuer Star hieß Len Deighton.

Der kam definitiv nicht aus der upper class wie Ian Fleming. Sein Held – the first anti-hero in spy fiction – hatte nicht einmal einen Namen. Harry Palmer hieß er erst in den Filmen. Ian Fleming war über The Ipcress File auf jeden Fall not amused. Er mokierte sich he could not be bothered with all [Deighton’s] kitchen sink writing and all this Nescafé. Ja, professional compliments are always pleasing, wie ➱Doc Boone in Stagecoach sagt. Andere hatten mehr Lob parat: A spy story with a difference (Observer), A master of fictional espionage (Daily Mail), The poet of the spy story… Deighton is so far in the front of other writers in the field that they are not even in sight (Sunday Times), The Ipcress File helped change the shape of the espionage thriller… the prose is still as crisp and fresh as ever… there is an infectious energy about this book which makes it a joy to read, or re-read (Daily Telegraph).

All das gilt noch immer. Ich hatte große Schwierigkeiten, nach einem halben Jahrhundert einen James Bond Roman noch einmal zu lesen. Len Deightons The Ipcress File habe ich mit Vergnügen in einem Stück gelesen. In schöner Bescheidenheit hat Deighton über seinen Debütroman gesagt: it did very well, but that was really because the critics used me as a blunt instrument to beat Ian Fleming over the head. Und Harry Saltzman, der Produzent von Dr NoFrom Russia with Love und Goldfinger, kaufte sofort die Filmrechte von Ipcress. Sie können den Anfang von The Ipcress File ➱hier lesen. Wenn Sie Goldfinger ganz lesen wollen, dann klicken Sie ➱hier. Das Photo zeigt Len Deighton (in der Mitte) neben Eva Renzi bei den Dreharbeiten von Funeral in Berlin. Rechts von ihm stehen ➱Michael Caine und Paul Hubschmid. Paul Hubschmid ist der längste. Das weiß ich, weil ich am Donnerstag 27. September 1962, in der Komödie am Kurfürstendamm bei dem ersten Auftritt von ➱Juliette Gréco in Deutschland hinter ihm gesessen habe.

Die Leser von Len Deighton fanden eine Figur wie James Bond einfach lächerlich – was sie ja eigentlich auch ist. Deighton hat sich zum Thema James Bond kaum geäußert, andere Kollegen waren nicht so zurückhaltend. ➱Nicolas Freeling, ein wesentlich besserer Schriftsteller als Fleming, bezeichnete dessen Romane als a bit of elegant masturbation. Und ➱John le Carré nannte sie cultural pornography. Und äußerte sein Missfallen gegenüber der Superman figure who is ‚ennobled‘ by some sort of misty, patriotic ideas and who can commit any crime and break any law in the name of his own society. He’s a sort of licensed criminal who, in the name of false patriotism, approves of nasty crimes. So richtig das ist, muss man aber auch sagen, dass das letztlich Argumente sind, die R. Austin Freeman schon 1924 in The Art of the Detective Story vorgetragen hat. Und die zwanzig Jahre später noch einmal George Orwell in seinem ➱Essay Raffles and Miss Blandish formuliert hat.

Ähnlich wie die Literaten und Literaturwissenschaftler äußerte sich auch ➱Nina Hibbin, die im Daily Worker in ihrer Filmrezension Goldfinger—Slickest: Bond’s Latest Film Repeats the Dose Daily den Film in Grund und Boden verdammte: The cult of James Bondism ist a vicious one, a symptomatic sickness of our age…. But this is all one vast, gigantic confidence trick to blind the audience to what is going on underneath. The constantly lurking viciousness, and the glamorisation of violence — they are real enough…

Sie hatte Ähnliches schon zu den ersten Bond Filmen geschrieben, da hatte die jüdische Kommunistin (ohne die Ken Loach niemals hätte Kes drehen können) noch die Masse der high-brow Kritiker hinter sich. Jetzt ist die Front aufgeweicht. Leonard Mosley, der Filmkritiker des Daily Express tönte: Even for eggheads, I swear this film is worth a visit. Honor bright. My word is my Bond.

Und Roger Ebert schrieb: Of all the Bonds, ‚Goldfinger‘ (1964) is the best, and can stand as a surrogate for the others. If it is not a great film, it is a great entertainment, and contains all the elements of the Bond formula that would work again and again. Man kann die wichtigsten Positionen der Rezeption in James Chapmans seriösem und ausgewogenen Buch Licence to Thrill: A Cultural History of the James Bond Movies nachlesen. Er hat auch ein schönes Kapitel mit dem Titel Bondmania.

Mit den Bond Filmen rollte eine Vermarktungswelle an, die bis heute nicht abgeebbt ist. Es gab bei Moeris eine 007 Armbanduhr, und es gab ein 007 Rasierwasser (so etwas wird heute noch verkauft). Selbst in Deutschland tauchten James Bond Anzüge auf. Den ersten habe ich 1965 in einem Schaufenster des Kaufhauses DeFaKa gesehen. In England heuerte die Firma ➱DAKS/Simpson den Photographen ➱Helmut Newton an. Der photographierte dann Möchtegern Geheimagenten in DAKS Anzügen für eine aufwendige Werbeaktion in den colour supplements von Sunday Times und Observer. Ian Fleming hatte sich überreden lassen, im Rahmen dieser Werbekampagne als Geheimdienstchef M photographiert zu werden. In Frankreich lief bei Dormeuil eine ähnliche Kampagne. Mit einer gewissen Berechtigung, denn ➱Dormeuil Tonik war der Stoff, den Fleming für seine Anzüge bevorzugte.

Die Anzüge von Sean Connery waren das äußerliche Symbol für die völlige Transformation eines Menschen. Die Romanfigur von Ian Fleming war (wie Fleming selbst) natürlich ein Gentleman, Sean Connery war ein schottischer Proll. Der Geburtshelfer für den eleganten James Bond, der sich wie selbstverständlich im Londoner Clubland bewegt, alle Weinsorten kennt und seine Anzüge aus der Savile Row bezieht, war der Regisseur Terence Young. Wenn es einen James Bond gibt, dann ist er es. Ein Gentleman, der in Eton wie Ian Fleming – und der fiktionale Bond – gewesen war. Danach in Cambridge. Er war zwar kein Commander in der Royal Navy wie Ian Fleming und dessen Geschöpf James Bond, aber er war Offizier der Garde gewesen. Er schleppte Connery als erstes zu seinem Schneider Anthony Sinclair. Der Rest ist Geschichte. Nie hat der Satz Kleider machen Leute so viel bedeutet wie jetzt.

Es ist erstaunlich, was man alles mit dem Namen James Bond verkaufen kann. Besonders gut gefallen hat mir dieser Werbetext:  Ein halbes Jahrhundert lang beeindruckte James Bond die Welt. Eine unantastbare Legende – von Männern verehrt, von Frauen begehrt. James Bond ist die ultimative Ikone der Männlichkeit – die vollkommene Kombination von unwiderstehlicher Kultiviertheit und kompromissloser Männlichkeit. In James Bond 007 verbinden sich all diese Charakteristika auf gefährlichste Weise zu einem kraftvollen Duft, der jene Dualität versprüht, die Bond so außergewöhnlich macht: der Mix von Kultiviertheit und Männlichkeit. James Bond 007 ist der maskuline Duft für den Bond Mann. Der Duft ist natürlich sehr exklusiv. Man kriegt ihn bei Rossmann. Bevor Sie sich das Zeuch kaufen, sollten Sie hier den Post ➱Aftershave lesen.

Etwas mehr als für das Rasierwasser, wird man für die Teile von Duponts James Bond Collection auf den Tisch legen müssen. Das Hemd von Turnbull & Asser, das Sean Connery hier trägt, kann man noch kaufen. Kostet schlappe 245 Pfund Sterling. Ich weiß jetzt nicht mehr, wer mir letztens zugeflüstert hat, dass die Hemden von Turnbull & Asser nicht mehr aus der Jermyn Street, sondern aus Danzig von Emanuel Berg kommen. Da sind die Hemden bei ➱Rudolf Böll billiger. Und wahrscheinlich viel besser.

Den Smirnoff Wodka, den Bond hier trinkt, kann man natürlich auch kaufen. Aber – und das mag jetzt für viele wie ein Schock kommen – Bond Fans werden sich auf Heineken Bier umstellen müssen. Ich weiß jetzt nicht, ob die Plörre (die unfreundliche Zeitgenosse Grachtenpisse nennen) geschüttelt oder gerührt serviert wird. Die Filmfirma hat einen 28 Millionen Pfund Sterling Deal mit den Holländern gemacht, das war ein Drittel der Produktionskosten. Auf die Frage Did Fleming’s Meta-branding in the books have an impact on product placement in today’s movies and books? antwortete ➱Professor Chapman:

The answer is “Yes – and No”. The brand name products in Fleming’s books served a cultural-ideological purpose: as well as being indicators of snob value they can also be seen as reflecting the gradual emergence of Britain from a post-war culture of austerity (Casino Royale was published in 1953) to a culture of affluence. Today the ideological import of this is lost: I’ve met taxi drivers who wear Rolexes! The product placement in the films is more tied to commercial branding and has less obvious snob value: Aston Martin, yes, but Bond drinking Heineken in ‚Skyfall‘ is a mass-market rather than an exclusive product. This reflects the fact that the films are mass-market popular movies produced for the widest possible audience, whereas Fleming saw himself as writing for “the more sophisticated” type of reader.

Ich habe noch nie einen Taxifahrer gesehen, der eine echte Rolex trug (Fahrer mit Rolex Fälschungen am Arm sieht man häufig, die kaufen die en gros beim Thailand Urlaub und verticken sie hinterher an die Kollegen), aber ich hatte schon mal eine Rolex von dem Typ, den Connery in Dr No trägt, in der Hand. Was damals übrigens die Uhr des Produzenten Albert Broccoli war. Rolex (die Firma hat ➱hier einen Post) war zu geizig, der Filmfirma ein Exemplar für die Dreharbeiten zur Verfügung zu stellen. Das bereuen sie bis heute.

Wenn Bond in Casino Royale (2006) gefragt wird, ob er eine Rolex trüge, ist seine Antwort: Omega. Die Uhr aus dem Film war einem Sammler bei der Auktion von Antiquorum 215.000 Schweizer Franken wert. War noch originaler Dreck von den Dreharbeiten dran (Bild). Ich will lieber nicht sagen, was mein Uhrmacher dem Typen gegeben hat, der die alte Rolex, bei der die Lünette fehlte, beim Pokern gewonnen hatte.

Inzwischen ist uns allen klar, dass man James Bond nur noch am Leben erhält, weil man die Filme für das product placement braucht. Seit der Great Gatsby ➱Verfilmung von 1974 hat die Filmindustrie diese Einnahmequelle in großem Stil entdeckt. Wer sich in der ersten kommerziellen Bond Welle solch eine potthässliche James Bond 007 Uhr von Moeris wie die da oben gekauft hat, kann heute ein gutes Geschäft damit machen. Wenn meine Mutter den dunkelblauen James Bond Anzug mit den Geheimtaschen von meinem Bruder nicht zum Roten Kreuz gegeben hätte, wäre der heute vielleicht auch noch etwas wert.

James Chapman hat mit dem Satz the films are mass-market popular movies produced for the widest possible audience, whereas Fleming saw himself as writing for “the more sophisticated” type of reader natürlich recht. Schon vorher sagte John Adkins in The British Spy Novel in dem Kapitel Spies and the Class WarThe class issue has been one of the major concerns of British fiction this century. Die Welt Ian Flemings und seines Gentleman-Agenten bestand, um zwei Buchtitel zu zitieren, aus Snobbery with Violence (Colin Watson) und Clubland Heroes (Richard Usborne). Ian Fleming suggerierte dem Leser in seinen Romanen, er sei ein Teil der großen eleganten Welt. Aus dem Casino Royale der Romane ist (bildlich gesprochen) die Daddelhalle geworden, snobbery ist nicht mehr da, class auch nicht, dafür umso mehr violence. Die Bild Zeitung konnte vor Jahren titeln: Til Schweiger ist der „deutsche James Bond“. Darauf warten wir jetzt alle.

James Bond wurde bekanntlich am 11.11.1920 in Wattenscheid geboren. Den Film Skyfall (von dem ich letztens einen Teil im TV gesehen habe) hatte das einzige Kino von Wattenscheid nicht im Programm, da gab es die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann. Na ja, manche Kritiker fanden den Film auch grottenolmschlecht. James Bond nennt sich heute Daniel Craig und trägt wieder Anzüge, die wie die Anzüge von Anthony Sinclair aussehen. Er bereut es heute bitter, dass er mal den Decknamen Roger Moore verwendet und diese schrecklichen Klamotten getragen hat.

Auch der Name Pierce Brosnan, der BMW und die ➱Brioni Anzüge haben ihm nicht wirklich gefallen. Dass man ihn überredet hat, sich bei Facebook anzumelden, bereut er auch schon. Er kann seinen Ruhestand nicht wirklich genießen, immer wieder ruft M an (der inzwischen eine Geschlechtsumwandlung durchgemacht hat und nicht mehr Bernard Lee, sondern Judi Dench heißt) und will etwas von ihm. England expects that every man will do his dutyDas ist das Schicksal des hero with a thousand faces, das olympische citior, altior, fortior gilt erst einmal für sie. Wenn da irgendwelche kleinwüchsigen Amerikaner auf einer mission impossibile sind und sich das gut verkauft, dann müssen sie im nächsten Film noch besser sein. Das ist der Fluch der Superhelden, die ewig leben müssen.

Die Geister, die wir gerufen haben, werden wir nicht mehr los. Der Kinostart für den neuesten James Bond Film Spectre ist für November angekündigt. Sie können sicher sein, dass ich nicht darüber schreiben werde [was soll ich jetzt dazu sagen? das war im Januar]. Die halbe Stunde, die ich von Skyfall gesehen habe, hat mir gereicht. Heute vor fünfzig Jahren hatte der Film Goldfinger seine deutsche Premiere. Ian Fleming hat die Fertigstellung des Filmes nicht mehr erlebt.

An mir lief das (wie auch das ganze Genre ➱Fantasy) völlig vorbei. Ich habe den Film 1965 nicht gesehen. Der einzige filmische Geheimagent, den ich damals im Kino sah, hieß Lemmy Caution. Der trug wenigstens einen ➱Regenmantel, wie es sich für Geheimagenten gehört. Das taten auch Joel McCrea in Foreign Correspondent, Michael Caine in Ipcress und Richard Burton in The spy who came in from the cold. Sean Connery hatte als 007 keinen. Wenn England einen Agenten mit der Doppelnull in die Karibik oder nach Miami schickt, dann braucht der keinen Trench. Hier in Another Time, Another Place trägt Connery einen Aquascutum Kingsway, aber das ist natürlich kein James Bond Film.

Ian Fleming mag tot sein, aber der nächste James Bond Roman wird schon geschrieben (der letzte wurde von William Boyd geschrieben, er liegt bei mir noch irgendwo in der Mitte eines Bücherstapels). Von einem Mann namens Anthony Horowitz. Den kennen Sie vielleicht als Drehbuchautor von sechs Folgen von ➱Inspector Barnaby. Und – noch viel, viel besser – von 21 Folgen der ➱Serie Foyle’s War.

Horowitz hat über seinen Roman gesagt: It’s no secret that Ian Fleming’s extraordinary character has had a profound influence on my life, so when the estate approached me to write a new James Bond novel how could I possibly refuse? It’s a huge challenge – more difficult even than Sherlock Holmes in some ways – but having original, unpublished material by Fleming has been an inspiration. This is a book I had to write. Und weil es viel Geld bringt. Und wenn wir noch einen schönen Satz brauchen, wie wäre es mit dem schönen Satz: Une réception? A la bonne heure, ce sera l’occasion de porter mon smoking en alpaga. Sagt der Agent OSS 117 von Jean Bruce.

Falls Sie den Herrn hier nicht kennen sollten, das ist Barry Nelson als Jimmy Bond 1954 in Casino Royale (➱Peter Lorre war auch als Le Chiffre in dem 48 Minuten langen Film). Der ➱Smoking von Hubert Bonisseur de la Bath sitzt besser als der von Jimmy Bond (auch beim ➱Tanzen). Der mit den Worten von Macbeth zu fragen scheint: why do you dress me in borrow’d robes? So hat alles angefangen. Der Rentner in Wattenscheid ist nicht besonders stolz auf diese Verkleidung.

post scriptum: Dies stand schon im Netz, da fiel mir ein Gedichtband von Frank Schulz (dem Autor des Klassikers Kolks blonde Bräute) in die Hand, aus dem ich noch eben ein kleines Gedicht zitieren möchte:

Geschürt, nicht gerüttelt


Sein Name ist Bond,

James Bond. 

Das Girl, es ist blond,

schön blond.

Jawohl, Bond ist Schond.

Na ond?

Der Wiedergänger James Bond taucht auch in diesem Blog immer wieder auf. Wenn Ihnen nach noch mehr Bond zumute ist, dann könnten Sie auch noch lesen: MetropolisIan FlemingBachs CellosuitenSecret AgentsScotland foreverJames Bond007GoldfingerSir Thomas Sean ConneryCathy GaleBond GirlDaliah LaviBrittGeorge Spencer WatsonChristine KeelerSchmutzige LyrikJohn le CarréEric AmblerNicolas FreelingIntertextualitätKingsley AmisRitterRoyal Flying CorpsKyritz an der KnatterLaurence HarveyUli BeckerHaikuKingsmanOperation MincemeatKen AdamSiegfried SchürenbergAgentenmodeFilm und ModeEnglische Herrenschuhe (London)StilBlazerInspector Barnaby und die ModeJankerRoyal Flying CorpsAufklärungTalsperrenPlayboyGothickFantasy

 

Ich habe vor Jahren bei ➱Kelly’s Christian Geffers kennengelernt. Er hat eine ➱Agentur für Modemarken. Wir redeten aber nicht über Herrenmode, sondern über Uhren. Er hatte eine schöne Zenith Rainbow am Arm, und machte leicht gehässige Bemerkungen über ➱Rolex. Das gefiel mir. Damals war in den Rolex Chronographen ja noch das berühmte Zenith El Primero Werk drin, weil Rolex kein eigenes Chronographenwerk hatte. Heute haben sie eins. Hat aber lange gedauert, bis sie das zustande bekommen haben. Ich habe Christian Geffers später noch mehrfach getroffen, da redeten wir dann auch schon mal über Mode. Und er hatte einen Geheimtip für mich: Schuhe von Mack James.

Damals vertrat er noch diese Marke, das tut er heute nicht mehr. Wahrscheinlich hat das etwas mit der ein klein wenig katastrophalen Vertriebsstruktur der Firma zu tun. Die Internetseite Parisian Gentleman lobte ➱2009 die Marke über den grünen Klee: Parisian Gentleman’s recommendations: Aubercy, Berluti, Carlos Santos [die Dachfirma von Mack James], Corthay, Gaziano & Girling, John Lobb. Da befindet man sich in der besten Gesellschaft.

Aber vor wenigen Monaten musste dieselbe ➱Quelle sagen: Being among the first to support Carlos a few years ago, we anticipated nothing short of a glorious future for his company, given the quality of his work and the notable aesthetics of his shoes. However, weak strategy and questionable marketing decisions have challenged the company’s development, leaving us to wonder if Carlos Santos will one day reach his full commercial potential. Carlos Santos’ shoes are excellent, but distribution logistics are caught up in an artistic blur that has resulted in sheer disorganization.

Als mir Christian Geffers den Namen Mack James nannte, hatte ich noch nie von dieser Firma gehört. Aber ich machte mich peu à peu schlau. Und erfuhr, dass sich hinter dem englischen Namen eine portugiesische Firma verbarg, die Carlos Santos heißt. Nun können sie in Portugal (und Spanien) ja auch Schuhe machen, und Portugal hatte immer gute Verbindungen nach England. Auf jeden Fall, seit Wellington das Land vor Napoleon bewahrt hat. Weshalb man ihn dort auch zum Duke of VitóriaMarquis of Torres Vedras und Count of Vimeiro gemacht hat.

Und da ich gerade bei Portugal und Wellington bin: kaufen Sie sich nie die DVD von Lines of Wellington (Sturm über Portugal) mit John Malkovich als etwas bescheuertem Wellington. Raúl Ruiz hatte diesen Film geplant, hat ihn aber nicht gedreht, weil er vorher starb. Der Regisseur, der eine der besten Proust Verfilmungen (lesen Sie ➱hier mehr) gedreht hat, kann dieses Machwerk nicht gemeint haben. Wenn Sie Wellington noch komischer haben wollen als bei Malkovich, müssen Sie mal eben ➱Prince Blackadder anklicken (dies ist eine Folge von Blackadder, in der ➱Blackadder und der Prince of Wales die Rollen getauscht haben).

Der Herzog von Wellington hat in Portugal keine portugiesischen Schuhe getragen, er vertraute auf das, was ihm sein Schuster ➱George Hoby aus London lieferte. Aber die neue Form der Stiefel (die eines Tages seinen Namen tragen), die hat sich Wellington in Portugal ausgedacht. Beinahe wäre er gar nicht bis Portugal gekommen, sein Schiff Surveillante droht zu sinken. Sein aide-de-camp Colin Campbell kommt zu ihm in die Kabine und sagt ihm, Kapitän  Collier bäte ihn, er möge seine Stiefel anziehen und an Deck kommen. Wellington lässt dem Kapitän ausrichten, er dächte gar nicht daran. Wenn das Schiff unterginge, sei er ohne Stiefel besser dran. Und schläft weiter. Die Surveillante ging nicht unter.

Die Verbindungen zwischen Portugal und England sind natürlich älter als der napoleonische Krieg. In den Portugal hineingezogen wurde, weil man die Kontinentalsperre verweigerte. Da musste Napoleon schon seinen Truppen sagen: Soldiers, I need you. The presence of the hideous leopard contaminates the country of Spain and Portugal. The leopard will flee in terror at your approach. Der Leopard Wellington (hier seine Büste in Porto), der auf einem französischen Schiff kam, das die Royal Navy erobert hatte, flieht nicht. Er befreit Portugal.

Seit Portugal und England 1386 im Schloss Windsor den Vertrag von Windsor schlossen, gibt es eine Allianz (Aliança Luso-Britânica) zwischen den Ländern. Es ist die älteste politische Allianz der Welt, eine Allianz, die nie gebrochen wurde. Und auf diese Allianz konnte sich Portugal (das auch mal eine Engländerin als Königin hatte, hier neben ihrem Gatten João I) verlassen, als Napoleon vor der Tür stand und das Königshaus nach Brasilien floh. Und im ➱Falkland Krieg hat Portugal natürlich die Azoren als Basis zur Verfügung gestellt, damit die Limeys ihre Flugzeuge auftanken konnten.

Wirtschaftliche Beziehungen gibt es (außer den Touristen) heute immer noch, England zählt für die Portugiesen zu den wichtigsten Exportländern. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Portugal und England begannen im großen Stil, als John Methuen im Jahre 1703 einen Vertrag aushandelte, der den Namen Methuen Treaty hat. Oder etwas salopper Port Wine Treaty, denn seit dieser Zeit gehört der süße Wein aus dem Douro Tal zu den Lieblingsgetränken der Engländer. Schöne Schuhe konnten die Portugiesen auch damals schon machen, diese Schuhe vom Ende des 18. Jahrhunderts kann man heute Museu Nacional do Traje in Lissabon bewundern.

Heute boomt die portugiesische Schuhindustrie. Es sind hauptsächlich Damen- und Freizeitschuhe, die aus Portugal kommen. Im Bereich der klassischen Herrenschuhe hat man den Spaniern, die eine Marke wie Carmina haben, nicht so viel entgegenzusetzen. Aber man bemüht sich. Innovative Firmen werden jährlich mit dem portugiesischen Innovations Award ausgezeichnet, und man achtet auf ökologisch nachhaltige Herstellung. Viele Unternehmen tragen das Biocalce Label, das vom Portugiesischen Technologischen Zentrum für Schuhe vergeben wird.

Die Schuhindustrie in Portugal hat sich gewandelt, diese beiden Bilder stammen aus einer Kampagne, die es seit 2009 gibt. Und da kann man lesen Portuguese Shoes Designed for the Future oder The sexiest industry in Europe. Früher waren, so sagt man, die Schuhe meist Auftragsarbeiten internationaler Schuhhersteller. Die portugiesische Schuhindustrie war von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt. Das hat sich inzwischen geändert, portugiesische Schuhmarken haben sich am internationalen Markt etabliert. Das kann man auf einer Internetseite lesen.

Die Sache mit den Auftragsarbeiten ist wahrscheinlich wahr, selbst berühmte englische Firmen sollen schon Lohnarbeiten nach Portugal vergeben haben. Ist sicher besser, als die Schuhe in Indien fertigen zu lassen, was Grenson zum Teil tut. Man will in Portugal aber heute weg von dem Billiglohnland und dem Billigheimer Image: In the ‘90s, Portugal was the ‘China of Europe, with very low prices, lower quality and mass production, mainly targeting European markets, sagt José Neves, der aus der Schuhbranche kommt und einen Online Handel namens Farfetch betreibt.

Und er sieht gute Chancen für die portugiesische Industrie (die gerade mit 160 Millionen Euro für die Verbesserung der Strukturen aufrüstet, wenn die EU mitspielt): Portugal is an excellent source, especially for footwear, for three reasons. One, it has very similar craftsmanship to Italy and France with significantly lower labour costs. Two, the industry is composed of small-scale factories with very low minimums, which attract higher-end designers and top-tier ranges. And three, it is easy, cheap, super-quick, normally three days for the import of raw materials such as hides, heels, outsoles, trims, metal components, etcetera from Italy, France and the UK, as well as decent local component supply.

Die seit 1942 bestehende Fabrik von Carlos Santos ist in São João da Madeira zu Hause, einem kleinen Ort im Norden des Landes. Der Ort mit seinen 22.000 Einwohnern besitzt zahlreiche Industriedenkmäler wie die denkmalgeschützte ehemalige Nähmaschinenfabrik Fábrica Oliva (die heute ein Kunstzentrum ist) und die ehemalige Hutfabrik Empresa Industrial de Chapelaria (heute ein Hutmuseum). Ich erwähne die Hutindustrie, weil der Vater von Carlos Santos als Hutmacher begonnen hat, bevor er zur Schuhmacherei wechselte.

Aber es gibt nicht nur leerstehende Fabriken in São João da Madeira, die Stadt ist auch das Zentrum der Schuhindustrie (hier ein Blick in die Fabrik von Carlos Santos), sozusagen das Northampton von Portugal. Hier lässt sich selbst ein australischer Händler wie Saba seine Qualitätsschuhe fertigen. Die Fabriken von portugiesischen Firmen wie Profession Bottier und De Gier sind allerdings nicht unter den sieben Schuhherstellern von São João da Madeira.

Ich weiß nicht, wo in Portugal die englische Firma Loake (oder der Händler Herring Shoes) einen Teil ihrer Schuhe fertigen lassen, aber ihre preisgünstigeren Schuhe kommen wohl aus Portugal. Und da ich die Firma Loake schon erwähnt habe, sollte ich auch sagen, dass sie nicht die Schuhe für Charles Tyrwhitt machen, wie hundertfach im Netz zu lesen ist. Sie liefern Tyrwhitt nur ganz wenige Modelle (haben sie in diesem Jahr öffentlich erklärt). Und auf keinen Fall die teuren Modelle, die einen McAfee Absatz haben.

Wie zum Beispiel das Wholecut Modell Arthur, den stellt wahrscheinlich die Firma Barker her. So elegant wie dieser Wholecut ist der allerdings nicht, das hier ist ein portugiesischer De Gier Schuh. Carlos Santos hat inzwischen seine Linie Mack James aufgegeben, jetzt gibt es nur noch Santos und Carlos Santos. Und dann sind da noch Schuhe für andere Firmen, wie zum Beispiel Marc Guyot in Frankreich (vielleicht produzieren sie in São João da Madeira auch die Schuhe für die französischen Marken LodingEmling und Bowen).

Ich habe mir über die Jahre drei Paar Mack James Schuhe gekauft. Bei dem bekannten Schuhhaus ebay, alle nagelneu. Haben zusammen knapp dreihundert Euro gekostet. Zwei sind hervorragend, der dritte (vom sogenannten Green Label) ist so lala. In einem Schuhgeschäft in Deutschland habe ich die alle noch nie gesehen. In den letzten Jahren sind Carlos Santos Schuhe mal bei Manufactum und Pro Idee aufgetaucht, auch auf den Seiten von amazon.com waren sie zu sehen. Die Firma ist natürlich von ➱Urban Buchmann bemerkt und vorgestellt worden (der Artikel enthält auch einen interessanten ➱Link), und Urban Buchmann führt sie auf auf seiner ➱Liste der besten RTW Schuhe.

Qualitativ kommen sie vielleicht nicht an die spanischen Luxusmarken Carmina und Loewe heran, wobei wir die letztere gleich wieder streichen können, Loewe Schuhe werden von Stefanobi gemacht (die auch die Schuhe für ➱Berluti herstellen). Aber die Qualität von Carlos Santos/Mack James ist für den Preis schon erstaunlich. Das einzige Problem ist nur: wo kriegt man sie? Und zu welchem Preis? Hier muss der Satz vom Parisian Gentleman noch einmal wiederholt werden: distribution logistics are caught up in an artistic blur that has resulted in sheer disorganization.

Die schönen Worte Since that time their beautiful men’s footwear, which features Goodyear welt construction, has taken the brand worldwide and is a growing presence in the high end men’s luxury shoe market sind auch nur Marketinggeschwätz. Da gilt eher das Urteil: Incoherent strategy (if any), obscure distribution pattern, esoteric pricing. Oder His ever-changing lines and collections make little sense; what happened to the superb “Handcrafted” range, that has suddenly disappeared from the brand’s website? And what about the prices, that shuffle around, depending on which website you’re on? Sie machen schon gute Schuhe, aber was hilft es, wenn es mit dem Vertrieb nicht klappt? Hier auf dem Bild hat Carlos Santos den portugiesischen ➱Präsidenten zu Gast. Ich glaube, er verspricht ihm gerade hoch und heilig, dass das mit dem Vertrieb besser werden soll.

Noch mehr Schuhe in den Posts: ➱Cliff Roberts, Artisan, ➱Dinkelacker, ➱Kuckelkorn, ➱Kiton/Chiton, ➱wayward cows, ➱Lord Byrons Schuhe, ➱Militärisches Schuhwerk, ➱Wildlederschuhe, ➱Chelsea Boots, ➱Englische Herrenschuhe (Trickers), ➱Englische Herrenschuhe (London), ➱Englische Herrenschuhe (Alfred Sargent), ➱Wirkungen, ➱Zeit der Unschuld, ➱Gamaschen, ➱Christian Rohlfs, ➱Laurence Harvey, ➱Blazer, ➱Morning Coat, ➱Fernandel, ➱Léo Malet, ➱Schuhcreme